Essen..

Die Architekten der „Zollverein School“ haben mit dem Prizker-Preis eine der wichtigsten Architektur-Auszeichnungen gewonnen. Eine Nutzung für den Würfel-Bau erweist sich als schwierig. Für den Lehrbetrieb sei das Gebäude unbrauchbar, sagt Andrej Kupetz, früherer Präsident der Zollverein School.

„Delikat und kraftvoll“

Die Arbeit von Sanaa zeichne sich durch einen „delikaten und kraftvollen, präzisen und fließenden, genialen und unaufdringlichen Stil” aus, lobt die Pritzker-Jury. Ihr Essener Werk bezeichneten die Architekten selbst „sehr einfache weiße Kiste an der Ecke“; das klingt nach japanischem Understatement, doch sollte niemand vergessen, dass die Kiste zwölf Millionen Euro kostete. Es flossen Gelder von EU und Stadt. Das Gros der Kosten aber trug das Land, dessen Landesentwicklungsgesellschaft auch als Bauherrin auftrat; es gilt die Auflage, dass hier Wissenschaft betrieben werden muss. Kurzum, die Kiste war eigens als Heimat der Zollverein School geplant.

„Für den Lehrbetrieb unbrauchbar“

Dass der Bau dennoch alles andere als eine Maßanfertigung war, stellten die Betreiber bald fest. Zwar bezeichnet der frühere Präsident der Zollverein School, Andrej Kupetz, den Kubus mit seinen 134 Fenstern bis heute als „Attraktion für Essen, das mit großartiger Architektur nicht eben reich beschenkt ist”. Kupetz sagt allerdings auch: „Für den Lehrbetrieb ist das Gebäude unbrauchbar.” Von Anfang an habe man mit technischen Problemen und einem unzureichenden Raumprogramm gekämpft. 150 Fachleute aus Design und Wirtschaft sollten berufsbegleitend im Sanaa-Bau studieren: „Es fehlten jede Menge Seminarräume.” Oder wie es die Stiftung Zollverein formuliert: „Ein Großteil der 5000 Quadratmeter Nutzfläche ist offener Raum.”

Spektakulär sieht solche Leere aus, nutzbar ist sie kaum. Gleichzeitig gelang es nicht, den Hochschulbetrieb mit Gebühren von je 22 000 Euro für 20 Monate Studium kostendeckend zu gestalten. Das mag auch am Konzept der Zollverein School gelegen haben, das anfangs nur 30 statt der angepeilten 150 Studenten lockte. Aber auch die Betriebskosten (man sprach von einer hohen sechsstelligen Summe) dürften ein wirtschaftliches Arbeiten erschwert haben.

Hohe Betriebskosten

Glücklich wurden die Mieter auch nicht, nachdem man ihnen die hohen Betriebskosten erließ. „Das ist nie als Funktionsgebäude errichtet worden, das ist reine Kunst”, seufzt einer der ehemaligen Nutzer. Er könne nicht beurteilen, was sich inzwischen getan habe. „Aber im ersten Jahr besuchten uns 16 000 Architekturfans aus aller Welt - und sahen Heizlüfter.” Dabei sollte mit Grubenwasser geheizt werden, das in ein ausgetüfteltes Rohrsystem in den hauchdünnen Betonwänden gepumpt werden sollte. Das habe leider das nie funktioniert: „Wir haben gefroren!” Immerhin sei die erste Etage wie gemacht für Ausstellungen und Events: „Bloß mussten wir jedes Mal eine Sondergenehmigung der Feuerwehr holen, weil die Fluchtwege nicht mal für 200 Menschen ausgelegt sind.” Jedem, der den Bau nutzen wolle, wünsche er „viel Spaß!”

Annette Heydorn mag so viel Häme nicht hinnehmen. Die Architektin arbeitet im Bereich Planen und Bauen der Stiftung Zollverein und bestreitet Probleme mit der Grubenwasseranlage: Die heize nach Anlaufschwierigkeiten störungsfrei, die Betriebskosten seien „absolut kommod”. Selbst den zwischenzeitlichen Leerstand des Baus beurteilt sie positiv: „Das gab vielen Menschen die Möglichkeit, sich im Inneren umzusehen.” Richtig sei, dass man bei größeren Events Brandwachen aufstellen müsse. Das dürfte auch für die bis Oktober laufende Foto-Schau „Ruhrblicke” gelten. Daneben wird der Bau heute tageweise von der „Immobilienakademie” Irebs genutzt, in den Büroräumen im dritten Stock sitzt die Stiftung Zollverein selbst.

Geplant für „repräsentative Veranstaltungen“

Das alles klingt eher nach Gemischtwarennutzung, doch Annette Heydorn gibt sich zuversichtlich, dass man mit dem Fachbereich Gestaltung der Folkwang Universität jetzt den perfekten Nutzer gefunden hat: „Die brauchen Fläche für die Präsentation ihrer Arbeiten.” Folkwang-Sprecherin Maiken-Ilke Groß assistiert, die Universität wolle dazu beitragen, „den Design-Standort Zollverein neu erblühen zu lassen”. Der Sanaa-Bau sei dabei ideal für „repräsentative Veranstaltungen”. Plant Folkwang nur eine punktuelle Nutzung der Kiste? Für den Lehrbetrieb mit 600 Studenten, für die kreative Arbeit und die Werkstätten soll jedenfalls ein Neubau auf Zollverein her. Die Ausschreibung läuft.

Vielleicht achtet man diesmal darauf, dass die Form der Funktion gehorcht. Anders als beim Sanaa-Bau, der als Lernort nicht taugt und für Großveranstaltungen nur ausnahmsweise nutzbar ist. Er bleibe, tröstet Kupetz, ein tolles Symbol: „Wie die Zeche bei ihrer Entstehung steht auch er für eine neue Zeit.“