Essener Nordwesten..

Hier marode Stationen, die sofort komplett instand gesetzt oder mindestens aufgefrischt werden müssten, dort ambitionierte Neubau- und Sanierungsprojekte. Bahnfahrgäste klagen über Ratten auf der Plattform, defekte Aufzüge oder zu-gesprühte Fahrpläne auf kleinen Stationen nahe der Haustür.

Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG kennen diese Kritik, ändern an S-Bahn-Haltepunkten aber wenig. Eher versenkt das Unternehmen Milliarden in den unnötigen Prestige-Neubau der Stuttgarter Citystation oder saniert den Essener Hauptbahnhof verspätet und mangelhaft. Einige S- Bahn-Kilometer entfernt, ist die schöne Bahnhofwelt am Ende. Abgefahren und trostlos sieht es vor Ort aus. Verspätungen kommen hinzu.

Dabei kassiert die Deutsche Bahn AG für jeden ihrer Bahnhöfe so genannte „Stationspreise“, für die das Unternehmen nach eigenen Angaben „ein verlässliches Leistungsbündel ohne Zusatzkosten und finanzielles Risiko“ anbietet. Soll heißen: Diese eingenommenen Stationspreise fließen in den Unterhalt der Bahnhöfe. Oder sollten dies zumindest tun. „Wenn der Aufzug in Gerschede wieder nicht funktioniert, dauert es stets Wochen, bis er repariert ist und ich wieder auf den Bahnsteig komme“, klagt eine Rollstuhlfahrerin.

Was tatsächlich in der Breite von den Pauschalen an-kommt, davon können sich viele Fahrgäste täglich auf den Bahnsteigen vor Ort überzeugen. Beispiele gefällig? Die Züge, die im Auftrag des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) unterwegs sind, halten etwa am Bahnhof Gerschede in der Woche 275 Mal. Pro Zughalt der S-Bahn-Linie 9 zahlt der VRR drei Euro. Die Bahn kassiert also allein dort im Jahr 42 900 Euro.

Den Fahrgästen bietet sich in Gerschede folgendes Bild: Vor Jahren komplett umgestaltet, ist es die Vorzeigestation im Essener Nordwesten. Viel Aufzüge, Edelstahl und Glas, dunkelblauer Anstrich, Notrufsäulen, rote Bahnsteigplatten, mit weißen Fühlsteinen für Blinde. Der Glanz ist abgestumpft und ein Regenschutzdach hat nur der Bahnsteig Richtung Borbeck. Viele Gesamtschüler und Bewohner der nahen Siedlung fahren S-Bahn. „Der Verschmutzungsgrad hält sich dort in den bekannten Grenzen“, meint ein Bahnsprecher. An anderen Bahnhöfen sieht es wirklich schlimmer aus. Wären die Aufzüge nicht so oft kaputt, könnte dort ein „Befriedigend“ gelten. Dass die Stützwände der Brücke über der Münstermannstraße häufig besprüht sind, gehört auch dort zum Erscheinungsbild.

Eine Station weiter Richtung Bottrop sieht es weniger gepflegt aus. Am Bahnhof Dellwig-Ost heißt es. Aussteigen an der Rattenrampe“. Die großen Nager ernähren sich im Gebüsch neben dem Fußweg zwischen Bahnsteig und Donnerstraße von den Essensresten, die einige Fahrgäste dort hineinwerfen. „Da wo schon Dreck liegt, werfen andere leider einfach noch etwas drauf“, weiß auch Klaus Pfahl vom „Bürger- und Verkehrsverein Dellwig/Gerschede“. „Also muss die Deutsche Bahn diese Dreckecken beseitigen, damit nicht noch mehr passiert“, folgert Pfahl. Das verfallene Empfangsgebäude sollte die Bahn abreißen und die S-Bahn-Station nach Gerscheder Vorbild sanieren. Den zweigleisigen Ausbau nach Bottrop hat die Deutsche Bahn AG bereits vor Jahren abgehängt, weil sie nicht in eine neue Brücke Über den Kanal investieren will und für einen Zehn-Minuten-Takt auf der S 9 keinen Bedarf sieht. Auch für diesen Haltepunkt kassiert die Bahn Jahr für Jahr 42 900 Euro.

Gleiche Summen stehen für die Stationen Borbeck und Borbeck-Süd im Plan. Die Treppenhäuser letzterer Station sind ständig besprüht - jedoch mit kaum ansprechenden Motiven. Häufig reinigt dort der Wind die frei stehende Plattform von Papierfetzen.

Äußerst gepflegt ist die Bahnhofshalle in Borbeck. Doch auch davor schrecken Sprayer und Vandalen nicht zurück, weiß der pflegende Eigentümer Jürgen Becker. Bereits mehrmals musste er in diesem Jahr eine der Glastüren an den Eingängen erneuern lassen. Farbspuren lässt er so-fort beseitigen. Die meisten Borbecker schätzen dieses Engagement sehr. Im Zu-gangstunnel und auf den Bahnsteigen wirkt alles etwas schmuddeliger. Auf Bahngelände ist der Reinigungsdienst sichtbar seltener aktiv.

Noch länger ist die Mängelliste am Bahnhof Bergeborbeck. Stinkende Ecken im Empfangsgebäude und an den Treppen. Der Bahnsteig gleicht an vielen Stellen eher einem Biotop, welches selten von Füßen betreten wird. Dafür überweist der VRR auch nur 21 000 Euro, was die jährliche Pflege schmälert.