Essen. Nagellack, Infusionen oder Schnaps: Behälter für diese Flüssigkeiten entstehen bei Gerresheimer in Horst. Die WAZ-Aktion führte Leser in die Essener Produktion, bei der jährlich mehr als eine Milliarde Gläser entstehen, die in den Haushalten oder Kliniken landen.
„Bei uns ist es gefährlich, heiß, laut und dreckig“, beschrieb Werner Masek kurz und treffend seinen Arbeitsplatz. Absolut faszinierend, fanden die Teilnehmer der Aktion WAZ öffnet Pforten ihren Besuch bei Gerresheimer. Masek, der im Unternehmen für die Arbeitsicherheit zuständig ist, führte die Gäste durch die Hallen, in denen ihr Produkt entsteht: Mehr als eine Milliarde Glasbehälter rollen in Horst jährlich vom Band. Nagellack, Hustensaft oder Schnaps landen später darin.
„Wir sind das älteste Industrieunternehmen Essens“, erläutert Geschäftsführer Jürgen Unruh, gegründet 1723 als königlich privilegierte Glasmanufaktur. Die heutige Produktion vergleicht Marlis Hagemann mit einer „überdimensionalen Eisenbahn“: Überall transportieren Fließbänder Gläser durch die Hallen, in denen der Geräuschpegel den eines startenden Flugzeugs erreicht. In der Produktion („heißes Ende“) steigen die Temperaturen im Hochsommer bis auf 50 Grad. Deutlich mehr herrschen an den Maschinen, in der Schmelzwanne sind es bis zu 1600.
Im Kühlofen "entspannen die Flaschen"
Das heiße Gemisch aus Altglas und natürlichen Rohstoffen wie Sand, Kalk und Soda tropft zunächst in eine Form, aus der wenige Schritte später eine rot glühende Flasche schlüpft. Ein Greifer hebt den künftigen Deoroller aufs Band, der so in Zone zwei gelangt. Heißt für Mitarbeiter und Gäste, die bereits Ohrenstöpsel, Kittel und Arbeitsschuhe tragen: Haubenpflicht. Für Männer mit Bart gibt es einen Mundschutz.
„Je näher wir Richtung Reinraum, wo das Glas verpackt wird, kommen, desto strenger werden die Hygienevorschriften“, erklärt Unruh. Schließlich dürfe kein Haar in die Glasbehälter gelangen, die etwa Infusionen beinhalten werden. Denn die Hälfte der Gläser aus Horst gehen an die Pharmaindustrie. Knapp 20 Prozent in die Kosmetikbranche, etwa 30 werden mit Spirituosen wie Underberg oder Kümmerling befüllt. Allein 350 Millionen dieser kleinen Flaschen stellen die Mitarbeiter jährlich her. 60 sind dafür in der Verwaltung beschäftigt, 312 in der Produktion, die das ganze Jahr in drei Schichten läuft: bis auf eine Kollegin eine reine Männerdomäne.
Später im Kühlofen „entspannen die Flaschen“, sagt Masek. Am kalten Ende schließlich werden sie sortiert. Zuvor aber gelangt über kleine Schläuche eine Wachsflüssigkeit auf die Gläser, die sie kratzfest machen soll. Ein Laserlicht prüft sie auf Risse. Nach der Qualitätskontrolle werden sie dann verpackt, um befüllt auch in Haushalte zu gelangen: mit Nagellack, Hustensaft oder Schnaps darin.