In der heißen Endphase zwischen Altweiberfastnacht und Aschermittwoch mag Karneval eine Allerwelts-Gaudi sein.In den Vereinen aber existieren seit Generationen überlieferte Rituale. Wer die nicht kennt, fällt auf
WAZ-SERIE (3) GRENZERFAHRUNGEN: ABGEGRENZT - DIE EIGENE WELT DES VEREINS Rüdiger Feuersenger ist zum ersten Mal der Mann für die Musik, dennoch weiß er genau, was seine Leute wollen: Zielsicher greift er zur CD "Karneval der Stars, Folge 35" und schiebt sie ins Abspielgerät. Bernd Stelter greift in die Gitarre, singt "Mahatma Glück/Mahatma Pech/Mahatma Ghandi".
Es ist Sonntagmorgen, 10.11 Uhr im Pfarrsaal des Gemeindezentrums St. Elisabeth in Frohnhausen. Der Ordensfrühschoppen der Karnevalsgesellschaft Hahnekopp hat begonnen und für die Hahneköppe mit den Vereins-Sakkos und Narrenkappen ist dies das Normalste der Welt. Karneval eben, der von Weiberfastnacht bis Rosenmontag zwar eine Allerweltsgaudi ist, in den Vereinssälen aber einen eigenen Kosmos bildet. Ein Kosmos mit eigenen Ritualen, nicht nur, was die Musik angeht. Wer diese Welt der ungeschriebenen Gesetze nicht kennt, der fällt auf - Karneval mit spaßiger Anarchie gleichzusetzen, wäre ein Fehler.
Rüdiger Feuersenger gibt das Startsignal. Ein zünftiger Marsch und schon hält das Königspaar der Session, Jörg I. und Daniela I., Einzug. Wie von Geisterhand gesteuert erhebt sich synchron der Hofstaat von seinen Plätzen. Alte Männer klatschen mit kleinen Mädchen synchron im Takt. "Man kriegt das einfach so mit, wenn man eine Zeit lang dabei ist. Das muss einem niemand beibringen", erklärt Vereins-DJ Feuersenger.
In der Szene der Karnevalisten sind Daniela und Jörg Berühmtheiten auf Zeit. Sie haben sogar Autogrammkarten mit einem Bild von sich anfertigen lassen. "Das macht jedes Königspaar so", erklärt Hoheit Daniela. Gerade bei Auftritten in befreundeten Vereinen seien die Karten als Sammlerstücke begehrt. "Ich habe bestimmt auch ca. zwölf Stück gesammelt und aufbewahrt", sagt die 37-Jährige.
Überhaupt die Sache mit dem Sammeln. Material gibt es bei der KG Hahnekopp reichlich: in Gestalt von Orden. Die Garde ist schwer behangen und auch an diesem Sonntag sollen einige hinzukommen. Verliehen mit Bützchen dreifachem Helau.
Ein besonders wertvoller Orden vom Bund deutscher Karneval wird Gaby Laarmann durch Vereinschef Helmuth Hagemann verliehen: für ihr jahrelanges Engagement im Verein, insbesondere in der Betreuung der Tanzgarde Ruhrnixen. Die 39-Jährige strahlt: "Der kommt zu Hause an die Wand." Eine Ausnahme, wie Hagemann betont. "Mit den Jahren bekommt man so viele, dass man die weniger wichtigen in einer großen Box sammelt." Aber Wegwerfen? Hagemann schaut entrüstet: "Nie."
Ein Karnevalist weiß so etwas, genau wie die Sache mit der Kleiderordnung. Männer in Uniformen stehen vor dem Vorsitzenden und dem Prinzen stramm. Wer die Mütze falsch sitzen hat, die falsche Sockenfarbe trägt oder eine der Sessions-Nadeln vergessen hat, muss in die Vereinskasse blechen. "Hat mir nie einer beigebracht, aber nach dem ersten Mal wusste ich genau, was geht und was nicht", erzählt Manfred Messing. Zwei Euro muss er zahlen, weil die Mütze schief saß. Extra hat er das gemacht: "Ist ja für den Verein und wenn heute Nachmittag nicht Kinderprinzen-Proklamation wäre, hätte ich Ringelsocken angezogen."
Andere bringen tierischen Einsatz für die kleine Karnevalswelt auf Pfaarsaal-Größe. Butch heißt der Mischling, den Ingrid Dieringer zum Vereinshund ausgebildet hat. Er wedelt fröhlich mit dem Schwanz und lässt sich geduldig von den Kindern streicheln. An seinem Hals leuchtet ein batteriebetriebenes Halsband - in der blauen Vereinsfarbe der KG Hahnekopp, versteht sich. "Rosenmontag läuft er im Zug mit, trägt eine Wärmedecke mit aufgesticktem Vereinsloge sowie Beutel für Bonbons. Hab ich alles extra anfertigen lassen", erzählt Dieringer. Der Vorsitzende Helmuth Hagemann greift wieder zum Mikro. "Liebe Hahnekopp-Familie. . ." setzt er an. Man versteht, was damit gemeint ist.Der Ordensfrühschoppen ist eine der ersten Veranstaltungen. Er dient dem Verteilen des Sessionsorden durch das Prinzenpaar an Mitglieder und Freunde des Vereins.