Essen. Ein Jahr lang stand die ehemalige Eon Ruhrgas Hauptverwaltung leer, nun soll sie als Ruhrturm zu neuem Leben erweckt werden. Der Investor sieht keine verschossenen Bodenbelag oder vergilbte Einbauten — sondern großes Potential.
Hubert Schulte-Kemper steht auf dem Dach der früheren Eon Ruhrgas Hauptverwaltung, stolze 60 Meter hoch; seine Gedanken bewegen sich in noch ganz anderen Höhen. Er spricht von internationalen Konferenzen, die in diesem Haus stattfinden könnten, von diplomatischen Vertretungen, die er nach Huttrop holen will, von „27 Regierungschefs, die hier sitzen werden“.
Nach dem Umzug von Eon Ruhrgas in den gläsernen Neubau an der Gruga stand der Altbau ein Jahr lang leer. Der Konzern sprach von diversen Kaufinteressenten, das Gerücht raunte von ungünstigen Bürozuschnitten, unzureichendem Brandschutz und Asbest. Das Gebäude war auf dem Weg zur Problem-Immobilie, bis Hubert Schulte-Kemper in diesem Juli Witterung aufnahm, im September unterschrieb er den Kaufvertrag. HSK, wie er genannt wird, macht Tempo.
EON Ruhrgas-Immobilie
So eilt der 65-Jährige auch bei der Besichtigung durch das Foyer, in dem sich Umzugskartons und ausrangierte Büromöbel stapeln. Ihr Abtransport ist gestoppt, sie sollen zur Möblierung von Musterbüros dienen; „die Sachen sind ja noch gut“, sagt HSK auf dem Weg zum Aufzug. 16 Etagen hat das Haus, aber weil das Erdgeschoss die Nummer 3 trägt, muss man die 18 drücken, um ganz nach oben zu kommen. Aufs Dach also, wo Schulte-Kemper vom Blick bis Gelsenkirchen schwärmt, kurz vor den roten Firmen-Lettern posiert, dann vom Gewächshaus erzählt, das er hier aufstellen will, gespeist von der Abwärme. „Hier sollen die Küchenkräuter wachsen für unsere Gastronomie, höchster Standard, versteht sich.“
Ein einsamer Maschinist arbeitet noch im Bürohochhaus
Spricht’s und eilt weiter in den Kälteraum, der Heizung, Wasser- und Klimatechnik beherbergt – und ein Kofferadio, aus dem ein alter Popsong dudelt. Hier oben wird noch gearbeitet; mag das für 1200 Mitarbeiter dimensionierte Haus auch leer gezogen sein, seine Lebensfunktionen müssen überwacht werden. Ein einsamer Maschinist thront über 16 verwaisten Etagen. Sonst ist im Haus nur der Wachdienst unterwegs und heute Schulte-Kemper (plus Entourage).
Er sieht keinen verschossenen Bodenbelag, vergilbte Einbauten oder Toiletten in 70er-Jahre-Optik – sondern Potential. Schulte-Kemper gründete einst die Essener Hypotheken-Bank und ist nach einem zweijährigen Kurzruhestand 2010 ins Geschäftsleben zurückgekehrt. Da hat er die Fakt AG gegründet, eine Finanzberatungsgesellschaft, deren Vorstandsvorsitzender er ist. Im Vorstand sitzen seine alten Mitstreiter Günter Pless und Norbert Boddenberg. Die drei waren nach der Wende in Ost-Berlin aktiv, später in Luxemburg und sie haben mal „Gorbatschow nach Essen geholt“. Kurz: Sie sind nicht bang angesichts der Größe des Gebäudes oder möglicher Altlasten.
Das Asbest sei „verkapselt“ und berge somit keine Probleme, das sei testiert. Und: „Klar, Sie werden 40 000 Quadratmeter nicht an einen Mieter los. Darum brauchen wir eine große Vision: Wir haben das Gebäude Quadratmeter für Quadratmeter geistig belebt“, sagt HSK. Er ist nun in der Kantine angelangt, wo er seine Spitzengastronomie unterbringen will. Die Besteckkästen sind leer, an der Tafel steht „Das Menü“; es gibt heute natürlich keinen Menüvorschlag, aber HSK malt aus, wie er hier 1000 Gäste bewirtet.
Kein Detail zu klein, keine Vision zu groß
„Kleine Küche, Spülküche, große Küche, sechs Konvektomaten, in der Friteuse können Sie sofort einen halben Zentner Pommes machen.“ Schulte-Kemper erwähnt, dass die Decke eine einzige Abzugshaube sei, er dreht an einer Kurbel, mit der ein Suppentopf gekippt wird. Kein Detail zu klein, keine Vision zu groß.
Er plant hier ein Konferenzzentrum, das in einer Liga spielen soll wie Zollverein und die Messe. Der schalldichte Krisenraum, acht blinde Bildschirme, variable Sitzungsräume. „Es ist alles da.“ Auch Interessenten gebe es schon. Am 1. Februar 2012 soll das Gebäude als „Ruhrturm“ wiedergeboren werden, bis zum 1. April sollen 15 000 qm funktionsfähig und vermietet sein. Auch das Konferenzzentrum werde bis dahin eingeweiht.
Noch früher will HSK 100 der 460 Tiefgaragenplätze an die Anwohner vermieten. 27 Regierungschefs und 100 Anwohnerparkplätze – das ist die Spannbreite. Dazu ein Low-Budget-Hotel und Büros, die man auf Zeit mieten kann, mit Chauffeur, Sekretärin und Babysitter. Ebenerdig sind Frisör, Café, Kiosk vorgesehen. Soweit die Vision. Noch sind die langen Gänge leer, in den Büros blieben Staub und Erinnerungen zurück, an vielen Türen stehen noch Namen.
Wo die Fakt AG einmal ihr Namensschild anschrauben wird? Das ist die einzige Frage, die Hubert Schulte-Kemper nicht beantworten kann. Erst sollen die Mieter ihre Räume auswählen, „Wir gehen dahin, wo noch Platz ist. Wir sind da ein Stück demütig.“
Tag der Offenen Tür
Am Dienstag, 8. November, ist ab 12.30 Uhr ein Tag der Offenen Tür in der ehemaligen Eon Ruhrgas-Hauptverwaltung an der Huttropstraße 60 (zwischen Moltkestraße und Ruhrallee) geplant.