Essen.. Ende der 1960er-Jahre wurde unter dem Stadtgarten ein Stück U-Bahn mit Haltestelle gebaut, das nie in Betrieb ging. Ein Besuch im Geisterbahnhof.
U-Bahn ist Ideologie. Das sagt Bertram Gröpper. Der Abteilungsleiter bei „Via“, dem Zusammenschluss von Evag, Duisburger und Mülheimer Verkehrsgesellschaft (DVG, MVG), ist jemand, der U-Bahn gut findet. Und zwar der puren Fakten wegen: „Als Transportsystem ist die U-Bahn wesentlich leistungsstärker als Bus oder Tram.“
Früher, als das Ruhrgebiet noch wuchs und überall Geld da war, gab es eine allgemeine Pro-U-Bahn-Stimmung. Heute ist das anders. Obwohl Gröpper findet, dass die Vorteile der U-Bahn noch immer gelten: „Die Bahn ist unabhängig vom Stau, sie ist schnell, sie ist sicher.“
Ein toter Arm zur Station „Opernhaus“
Wir stehen unterm Hauptbahnhof und gehen jetzt in den U-Bahn-Tunnel Richtung Philharmonie, obwohl man das eigentlich nicht darf. Wir dürfen heute mal. Wir laufen durch dunkle Röhren, wenige hundert Meter weit, und dann stehen wir zwischen grauen Betonwänden, die aussehen, als wären sie frisch hochgezogen worden, fahles Neonlicht fällt auf uns herab, der Boden ist von grauem Staub bedeckt.
Wir sind in einem U-Bahnhof, den es eigentlich gar nicht gibt, er hätte „Opernhaus“ heißen sollen oder „Musiktheater“. Er entstand ab 1969, da stand das Aalto-Theater noch lange nicht, war aber geplant.
Zwei Jahre zuvor war gleich nebenan Essens erster und mehrere Jahre auch einziger U-Bahnhof - die Haltestelle „Philharmonie“ (früher Saalbau) - eingeweiht worden. Spöttisch hieß es: Essen hat die kürzeste U-Bahn der Welt. Beim Bau hatte man einen Abzweig in Richtung Südosten verlängert und hinterm geplanten Aalto-Theater Schluss gemacht mit dem Tunnel. Das Streckenende hier sollte bloß ein Provisorium sein, und jetzt, 45 Jahre später, geht es immer noch nicht weiter.
Geplant war ein Stadtbahnnetz von Moers bis Dortmund
Der U-Bahn-Tunnel endet hier, einfach so. „Geplant war, die U-Bahn bis nach Kray laufen zu lassen“, erklärt Gröpper. „Stadtbahn Rhein-Ruhr“ sollte das Ganze heißen. In den frühen 1970er Jahren schlossen sich die Städte im Ruhrgebiet zusammen und planten ein durchgehendes Stadtbahn-Netz, in den Innenstädten unter-, an den Rändern oberirdisch: von Moers bis Dortmund, von Herten bis Witten. „Das hätte“, sagt Gröpper, „einer Region wie dem Ruhrgebiet mit seinen über fünf Millionen Einwohnern gut zu Gesicht gestanden.“
So bauten sie zuerst jene Strecken, die keine besonderen Komplikationen in Aussicht stellten: eine Stadtbahnstrecke vom Hirschlandplatz bis nach Mülheim zum Beispiel, unter Kennern wird sie deshalb bis heute „Modellstrecke“ genannt, weil sie zwei Städte miteinander verbindet.
Zu vielen weiteren Verbindungen kam es dann nicht mehr. Nach Kray fährt heute keine U-Bahn, auch nicht nach Steele, obwohl Verkehrspolitiker noch in den 1980er Jahren davon träumten. Es blieb bei Plänen - und bei einem Geisterbahnhof.