Essen.. Geschäftsleute in der Essener Innenstadt beklagen Müll, Fäkalien und Pöbeleien vor ihren Läden. Die Trinkerszene will Sozialdezernent Renzel nun mit einer neuen Strategie in den Griff bekommen: Die Alkohol- und Drogenkranken sollen Geld und Bier bekommen – als Lohn.
Harte Bandagen, aber auch Hilfe: Die Stadt will neue Wege einschlagen, um der Trinkerszene in der Essener Innenstadt besser Herr zu werden. Während das Ordnungsamt bereits mehr Präsenz an den Brennpunkten zeigt und die Streifen ausweiten will, setzt die Sozialbehörde auf neue Hilfsangebote. Nach dem Motto: Je mehr Hilfe es gibt, desto knackiger können die Verbote sein.
Besonders interessant dürfte eine Idee von Sozialdezernent Peter Renzel sein, die er am Dienstagabend beim CDU-Stadtgespräch erstmals vorstellte: Alkohol- und Drogenabhängige sollen das Umfeld, in dem sie sich aufhalten und wo sie meist auch ihren Müll hinterlassen, selbst reinigen. Dafür bekommen sie ein kleines Salär und vor allem gibt’s mehrmals am Tag eine Dose Bier. Die Ziele sind klar: Diejenigen, die mitmachen, sind ein paar Stunden weg vom Treff, und sie achten auch sonst darauf, dass es im Umfeld sauber bleibt. Auch trinken sie in dieser Zeit kontrolliert Alkohol – noch dazu Bier und nichts Hochprozentiges.
Abgeschaut hat sich Renzel die Idee in Amsterdam. Dort funktioniere das sehr gut, sagt er und stützt sich auf einen Erfahrungsbericht von Mitarbeitern der Suchthilfe Essen, die sich das Projekt in der niederländischen Hauptstadt angeschaut haben. Darin heißt es, dass sich die „Szeneansammlung in den umliegenden Parkanlagen deutlich reduziert hat. Und die Anwohner ihre hohe Zufriedenheit über die tägliche Säuberung des Quartiers betonen “. Renzel kündigte an: „Ich möchte das auch in Essen testen“. Er werde über die Umsetzung demnächst mit dem Jobcenter und der Suchthilfe diskutieren.
Zwei Büchsen Bier zum Dienstbeginn
Renzel räumt ein, dass er in einer ersten Reaktion geschluckt habe, als er hörte, dass die Teilnehmer in Amsterdam zu Dienstbeginn erstmal zwei Dosen Bier bekommen. Je nachdem, wie lange sie arbeiten, gibt es bis zu sieben Dosen am Tag und ein halbes Päckchen Tabak. Die Kosten dafür trägt die Stadt Amsterdam. Und in Essen? Das müsse man noch sehen, so Renzel.
Hintergrund all dieser Überlegungen sind massive Beschwerden von Geschäftsleuten in der Innenstadt, die über Müll, Fäkalien und Pöbeleien vor ihren Läden klagen. Das Ordnungsamt hat mehrere Hotspots in der City ausgemacht: Willy-Brandt-Platz, Kopstadt- und Weberplatz sowie Marktkirche. Ende vergangenen Jahres zählten die Streifen rund 250 Personen, die sich an den verschiedenen Treffs in der City einfinden, 146 davon haben neben dem Alkohol- zusätzlich ein Drogenproblem.
Nachbarn in „Umfeldmanagement“ einbinden
Neben dem Reinigungsprojekt will Renzel deshalb ein so genanntes Umfeldmanagement etablieren. Ein solches gibt es bereits rings um das Haus der Suchthilfe an der Hoffnungstraße. Mitarbeiter der Einrichtung halten mit den Nachbarn Kontakt und können bei Problemen eingreifen. „Wir kennen die Szene und können meist besser vermitteln als die Polizei“, meint Johannes Bomberg von der Suchthilfe, der in den vergangenen Tagen bereits Gespräche mit den Geschäftsleuten am Willy-Brandt-Platz geführt hat.
Schließlich will sich Sozialdezernent Peter Renzel für eine kostenlose Toilette im Umfeld einsetzen, um das wilde Urinieren in der Essener Innenstadt in den Griff zu bekommen.