Essen.. Die Bestände gehen auch in Essen zurück. Die Nachtigall brütet nicht mehr. Der Spatz pfeift kaum noch von Dächern. Der Nabu sorgt sich, sieht aber auch Chancen.
Die Kraniche sind längst weitergeflogen. Über Essen hinweg. Die Ruhr-Metropole kennen sie nur aus der Vogelperspektive. Lediglich einige Kraniche hatten vorletztes Jahr neben der Ruhrtalbrücke einen kurzen Zwischenstopp eingelegt – und dann wieder die Flügel geschwungen. Jetzt schlägt die Stunde der Wintervögel. Der für Essen und Mülheim zuständige Naturschutzbund Ruhr e.V. (Nabu) macht zum fünften Mal bei der bundesweiten Zählaktion mit. In Essen werden Ehrenamtliche gesucht, die vom 9. bis 11. Januar eine Stunde lang Vögel im Garten und auf den Balkonen zählen und ihre Beobachtungen an den Nabu weitergeben (Infos: www.nabu-ruhr.de). Den Naturschützern geht es vor allem darum, den Großstädtern die Vogelwelt wieder etwas näher zu bringen – und aufzuzeigen, wie absturzgefährdet viele Vögel sind. Der Brut- und Lebensraum ist flächendeckend und damit auch in Essen zurückgegangen, betont die zweite Essener Nabu-Vorsitzende Elke Brandt. Und die Probleme sind mensch-gemacht.
Der Kuckuck hat sich noch weiter zurückgezogen. Und die Nachtigall, die singt nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Der Stadt Essen hat dieser melodienverliebte Vogel schon vor Jahren den Rücken gekehrt, nur hier und da sind noch einige Exemplare zu sehen. „Dabei war die Nachtigall früher ein regelmäßiger Brutvogel in Essen“, erinnert sich Elke Brandt, die schon seit 50 Jahren die Vogelwelt erkundet, sich an ihr erfreut und um sie bangt.
Auch der Kiebitz wird verdrängt. ebenso die Feldlerche. Die Landwirte beackern ihre Felder so intensiv und bis zum Straßenrand, dass für diese Vögel, die offene Flächen lieben, kaum Platz noch bleibt. Lediglich im Essener Norden gibt es noch einige Rückzugsgebiete – auf alten Industriebachen. „Insgesamt sind die Bestände rückläufig“, bedauert Elke Brandt.
Der Spatz pfeift kaum noch von den Dächern. Und die Schwalbe findet an Gemäuern keine großen Ritzen mehr — und damit kein Örtchen fürs Nest. Der Mensch schließt Nischen und Löcher, manchmal unbewusst, ungewollt. Weil er bei einer Sanierung nicht beachtet, dass eine glatte gedämmte Hausfassade jeden Nistplatz unmöglich macht. Und jeder weggerissene Busch im Garten Rückzugsraum für Vögel zerstört.
Doch hier und da wird gegengesteuert. Die Essener Allbau beispielsweise lässt Nistkästen aufhängen, wo bei einer Hausmodernisierung Vögel verdrängt wurden. In Essen-Kettwig ist eine Nabu-Arbeitsgruppe darum bemüht, den Bestand der Schwalben zu analysieren und zu sichern. Und weil sich der Eisvogel aufgrund der verbesserten Gewässerqualität an der Ruhr wieder heimisch führt – so in Essen in der Heisinger Aue oder an der Stadtgrenze zu Bochum, arbeiten inzwischen auch Nabu und Wasserwerke zusammen, damit er sich ja auch weiter vermehrt.
Manchmal hilft auch ein umgekippter Baum, der freiliegende Wuzelteller ist geradezu in ideales Souterrain für Eisvögel, Bachstelzen und Zaunkönige. Für die Zertifizierung der Wälder empfahl der Nabu mit Erfolg, abgestorbene Bäume nicht gleich wegzuschaffen, sondern Brutraum für Spechte zu schaffen. „Da hat sich so in den Köpfen der zuständigen Leute einiges geändert“, lobt Elke Brandt.
So makaber es klingt: Der Orkan Ela, der im Vorjahr so tiefe Wunden in Essens Grün gerissen hat, könnte für die Vögel ein wahrer Segen werden. Weil sie im zerstörten Gehölz in Ruhe brüten können, und weil das Totholz, in dem sich Insekten vermehren, ein „gedeckter Tisch“ für Vögel ist, so die Nabu-Vize. Deshalb auch ihr Appell an die Behörden, bei den Aufräumarbeiten im Wald , nicht gleich jeden beschädigten Baum wegzuschaffen.
Was sie fordert, ist ein „Geländemanagement“, um den Vögeln Reviere zu lassen. Wer sich über den Kot der Kanadagänse auf Freibad-Wiesen in Essen aufregt, sollte ihnen in der Nähe eine Ersatzfläche anbieten. Er muss nur zum Mäher greifen. Kanadagänse lieben es kurz geschnitten. „Das alles lässt sich lenken“, erklärt Elke Brandt.
Sie kündigt übrigens für die nächsten Jahre einen Neuzugang für Essen an: den Halsband-Sittich. „Der wird kommen“, ist sie sich sicher. Der kleine Papagei, einst aus irgendwelchen Vogelkäfigen am Rhein entflohen, fühlt sich in Düsseldorf, vor allem auf der Kö wohl. Er muss nur noch den Weg nach Essen finden. Für die Ruhr-Metropole wäre das eine exotische Attraktion. Sie könnte mit dem freilebenden Sittich gar Werbung machen. Düsseldorf tut es auch – trotz einiger naserümpfender Kaufleute, die der Dreck der Sittiche stört.