Essen. Einst lag der Wasserturm Steeler Berg am Ostpark und beherbergte ein Restaurant, heute liegt er im Südostviertel an der A40 und ist Sitz der Essener Tafel. Der Verkehr der Steeler Straße rauscht an ihm vorbei. Für das umliegende Viertel ist der Wasserturm Namensgeber und Hoffnungsträger geblieben.

Majestätisch und wie aus der Zeit gefallen steht er da, übriggeblieben aus einer Epoche, da diese Ecke der Stadt noch deutlich mehr Bürgerstolz ausstrahlte als Verzweiflung: der Wasserturm im Südostviertel.

Wer von der Kurfürstenstraße auf ihn zufährt, den Steeler Berg hinauf, der hat noch den schönsten Blick auf diese großartige Landmarke, die beim Näherkommen leider deutlich verliert. Eingezwängt zwischen A 40, Autobahnzubringer und der vielbefahrenen Steeler Straße kann er seine einstige Grandezza kaum mehr entfalten. Das Umfeld wird von Straßenbahnschienen, Billiganbietern, von Matratzenläden und Leerständen bestimmt.

Ein Zweckbau mit Stil

Als der Wasserturm 1883/84 nach den Plänen des Aachener Ingenieurs Otto Intze errichtet wurde, gab dieser dem Zweckbau, der 2000 Kubikmeter Wasser fasst, seine stolze Gestalt: Das Hochreservoir wurde im historisierenden Stil erbaut, zwei Türmchen schmückten den Turm, eine Freitreppe führte zum Portal. Selbst seine Postadresse hatte damals mehr Klang: die Steeler Chaussee. Wer im benachbarten Ostpark flanierte, konnte anschließend im Restaurant des Wasserturms Essen gehen.

Aus dem kollektiven Gedächtnis dürften solche Erinnerungen lange verschwunden sein, was bewahrt und vielfach neu interpretiert wurde, sind die Geschehnisse zur Zeit des Kapp-Putsches, jenes nach wenigen Tagen gescheiterten Militär-Putsches gegen die Weimarer Republik im März 1920. Damals wurde der Wasserturm zum Schauplatz von Kampfhandlungen, wie eine Gedenk-Plakette am Turm verrät: Auf der einen Seite standen am 19. März 1920 eine Bürgerwehr und die Sicherheitspolizei, die den Wasserturm verteidigten; auf der anderen Seite stand die „Rote Ruhrarmee“.

Ein Park, der heute keiner mehr ist

Über den Hergang der Ereignisse und die Opferzahlen wurde in der Folgezeit erbittert gestritten. Essens damaliger Oberbürgermeister Hans Luther sprach später von einem „tragischen Missverständnis“. Zwei Tafeln im früheren Ostpark hinter dem Turm erzählen von der Legende und ihrer historischen Einordnung. Beide eint, dass sie sich in beklagenswerten Zustand befinden.

Gleiches gilt leider auch für den Park, der heute keiner mehr ist: Zwischen Lärmschutzwand, Wasserturm und Wettbüro liegt eine bescheidene Grünfläche, die inzwischen Diether-Krebs-Platz heißt, nach dem früh verstorbenen Schauspieler, der im Südostviertel aufgewachsen war.

Wassturm unter Denkmalschutz

Der kriegsversehrte Wasserturm, der viel schlichter wiederaufgebaut und 1985 auch wegen „seiner Bedeutung für die Essener Geschichte“ unter Denkmalschutz gestellt wurde, hat seinen Dienst weiter redlich versehen. Ein Restaurant beherbergt er heute nicht mehr, wohl aber die Essener Tafel, die viele Menschen in dem nun etwas abgehängten Viertel satt macht.

Er ist aber nicht nur Wahrzeichen, sondern auch Hoffnungsträger geblieben: „Wir am Wasserturm“ nennt sich der Werbering, der auf die Stärken der Steeler Straße verweist, wo neben den genannten Billigshops, auch Feinkost- und Fischgeschäft angesiedelt sind oder das Filmkunsttheater Eulenspiegel. Wer sich vom steten Verkehrslärm nicht abschrecken lässt und mit offenen Augen die Steeler Straße und ihre Seitenstraßen entlangbummelt, der entdeckt manches mit Erkern und Stuck versehene Haus, das von den großen Tagen des Viertels erzählt.

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