Essen. Walter Wehner ist Schriftsteller, Krimiautor und Bücherwurm. Der langjährige VHS-Fachbereichsleiter stellt am Burgplatz mehr als 150 Bücher aus, die den Ersten Weltkrieg verherrlichen und die Saat für den Zweiten legten. Hinzu kommen 300 Feldpostkarten mit Gedichten. Titel seiner Ausstellung: „Heil Dir im Siegerkranz!“.

„Ich bin ein Bücherwurm.“ Sagt Walter Wehner über Walter Wehner. Und untermauert diese Feststellung mit bemerkenswerten Zahlen: Gut 20.000 Bände nennt der 65 Jahre alte Literaturwissenschaftler und ehemalige VHS-Fachbereichsleiter sein Eigen, darunter allein 5000 Gedichtbände. Für seine große 1914-Ausstellung in der VHS am Burgplatz mit dem Titel „Heil Dir im Siegerkranz!“ hat er gut 150 Titel ausgewählt. Vervollständigt wird diese Schau durch 300 Feldpostkarten, die ein wichtiges Kriterium erfüllen. „Es sind nur Karten, auf denen Gedichte abgedruckt sind.“

Vor 100 Jahren, am 1. August 1914, stürzen sich die Völker in die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“. Millionen Soldaten lassen auf den Schlachtbänken ihr Leben. Ein sinnloses Gemetzel, das auf den Deckeln der jetzt massenhaft gedruckten Kriegsbücher hingegen grandios verklärt wird. Humanistisch gebildete Dichter, die bis dahin das Gute im Menschen besingen, verwandeln sich jetzt in üble, den Krieg verherrlichende Hetzer. In Hurrapatrioten, die den Propaganda-Krieg an der Heimatfront mit Inbrunst anheizen. In einer Gesellschaft, die jetzt durch und durch militarisiert ist. Bezeichnend sind Buchtitel wie „Im Heiligen Kampf“, „Viel Feind, viel Ehr’“, „Soldat in den Wolken“, „Hindenburg“ oder „Hörst du nicht den Eisenschritt?“. „Die Kriegsbegeisterung hat fast alle Schriftsteller erfasst“, urteilt Wehner, „es gab keinen bekannten Autor, der nicht mitgemacht hat.“

Privatbesuch von Hitler

Zwei Jahre Vorbereitung hat er in die Ausstellungsvorbereitung gesteckt. Hat in den Biografien der „Kriegsdichter“ gewühlt und dabei Bemerkenswertes ausgegraben. „Jene, die schon 1914 den Krieg besangen, schlossen oft auch 1933 wieder fest die Reihen und machten nach 1945 unbeirrt in der Tradition des deutschen Ungeistes weiter.“

Ganz anders das Schicksal der erfolgreichen Kinderbuchautorin Else Ury (Jahrgang 1877), die den Klassiker „Nesthäkchen und der Weltkrieg“ schrieb. Obwohl nationalkonservativ und kaisertreu wurde sie von den Nazis nach Auschwitz deportiert und ermordet. Else Ury war Jüdin.

Drei der ausgestellten Dichter lebten und wirkten in Essen. Wie etwa Christoph Wieprecht (1875 – 1942), der vom Fräser bei Krupp zum gefeierten Arbeiterdichter („Hammer und Schwert“) aufstieg und sogar von den Nazi-Machthabern hofiert wurde. „Als Hitler anlässlich eines Krupp-Besuchs in Essen weilte, stattete er Wieprecht einen privaten Besuch ab.“

"Köpfe der jungen Leser wurden vergiftet"

Albert Scheu widmete dem „Schmied von Essen“ das gleichnamige Gedicht. In diese martialische Skulptur, die am 25. Juli 1915 vor dem Hotel Handelshof feierlich enthüllt wurde, schlugen die Essener gegen eine Kriegsspende Nägel ein.

Beflügelt wurden die Verlage übrigens durch das immense Leserinteresse in den ersten Kriegsjahren, das ihnen gewinnbringende Auflagen bescherte. Manche Jugendbücher übersprangen sogar die 500.000-er Schallmauer, weiß Wehner. Der zugleich auf die verdorbenen Früchte hinweist, die diese verhängnisvolle Saat hervorbringen wird. „Die Köpfe der jungen Leser wurden schlichtweg vergiftet. Kein Wunder, dass es mit der Weimarer Republik nicht klappen konnte.“