Essen. Der Energiekonzern hat in Stoppenberg ein Steuerungssystem für Nachspeicherheizungen getestet, das er als effizient und komfortabel bewirbt. Energieberater bezweifeln Nutzen für Verbraucher. Rund 60.000 Haushalte in Essen heizen noch elektrisch.
Sie ist ein Technik-Dinosaurier – teuer und ineffizient. Allein das Wort lässt bei vielen die Nackenhaare senkrecht stehen: Die Nachtspeicherheizung. Bei der Wohnungssuche ist sie häufig Ausschlussgrund und sollte der alte Kasten schon im Haus hängen, sorgt die Stromabrechnung regelmäßig für Zähneknirschen. Trotz des bescheidenen Nachrufs auf den totgesagten Energiefresser will die RWE Effizienz ihn nun wiederbeleben und damit gar die Energiewende voran treiben.
Im März 2011 startete die RWE-Tochter mit einem Pilotprojekt in Stoppenberg. 50 Mehrfamilienhäusern bekamen im Keller einen kleinen grauen Kasten installiert, und durften ihren ungeliebten Elektrospeicher seitdem mit dem idyllischen Begriff „Wind-“ oder auch „Ökostrom-Heizung“ schmücken. Die Leistung soll den Kunden finanziell überzeugen, wie auch beim Wärmekomfort. Doch der ursprünglich für 2014 geplante Marktgang des neuen Produkts liegt derzeit auf Eis. In Essen gibt es rund 60.000 Gebäude, die noch per Nachtspeicher beheizt werden.
Überschüssige Energie speichern
Grundlage für die Idee des neuartigen Stromspeichers ist eine ausgefeilte Steuerelektronik, die flexibel auf Temperatur- und Strompreise reagiert. Anders als früher wird so nicht zu festgelegten Zeiten nachgeladen. Stattdessen soll das System die teils starken Preisschwankungen nutzen: Ist Strom billig, laden die Geräte nach, steigt der Preis, schaltet die Elektronik ab. Das sei eine intelligente Steuerungstechnik, die mit der bestehenden Heizung zusammenarbeitet, aber deutlich flexibler und effizienter vorgeht, erklärt Projektleiter Jörg Rummeni. Zudem könne überschüssiger Strom aus regenerativen Energien sinnvoll gespeichert werden.
Bei einem Verbrauch von 10.000 Kilowattstunden pro Jahr liegen dem RWE-Projektleiter nach die Kosten beim Nachtspeicher derzeit bei stolzen 2.000 Euro. Zehn Prozent könne der Verbraucher mit dem Ökospeicher einsparen. Damit ist die Rechnung des getunten Stromfressers aber immer noch fast doppelt so hoch wie bei der Gas-Heizung. Das sieht auch Jörg Rummeni. „Es geht uns auch nicht um die Renaissance des Nachtspeichers, sondern darum, unseren Kunden, die auf ihre Nachtspeicherheizung angewiesen sind, eine Chance zu geben, die Kosten zu senken“, so Rummeni.
Heiz-Komfort zu hohem Preis
Denn trotz des schlechten Rufs sei es vielen einfach nicht möglich, die teure Umrüstung etwa auf eine Gasheizung zu bezahlen. „In Stoppenberg sind wir auf viele Rentner gestoßen, die keine 20.000 Euro für solch einen Umbau haben und bei der Bank in ihrem Alter auch keinen Kredit mehr bekommen“, erklärt Jörg Rummeni. Die Umrüstung auf die „Öko-Heizung“ würde bei 400 bis 600 Euro liegen, so Jörg Rummeni. „Die hat der Verbraucher innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder raus“.
Der zweite Vorteil sei, dass die Wohnung durch die neue Technik über den Tag verteilt deutlich gleichmäßiger beheizt werde. „Bei den Nachtspeicheranlagen waren die Räume morgens häufig überhitzt und wenn man abends von der Arbeit kam, sehr abgekühlt“, sagt Rummeni. Auch diesen unangenehmen Nebeneffekt würde man damit in den Griff bekommen. Das Argument hat Anja Hoffrichter und ihren Mann überzeugt. Das Ehepaar gehört zu den 50 Parteien aus Stoppenberg, die sich entschlossen hatten, an dem Pilotprojekt teilzunehmen. „Mit der Nachtspeicherheizung hatten wir tagsüber manchmal nur 15 oder 16 Grad in der Wohnung. Die Möglichkeit die Temperatur selbst zu bestimmen, fand ich einfach genial“, sagt Anja Hoffrichter.
Mehrverbrauch übernimmt derzeit noch die RWE-Tochter
Dieser Komfort hat sich ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren der Pilotphase auch bewährt. „Darauf möchte ich eigentlich nicht mehr verzichten“, erzählt die Stoppenbergerin. Allerdings hat sie auch Bedenken gegenüber ihrer neuen „Öko-Heizung“. Denn entgegen der umworbenen geringeren Kosten ist bei Ehepaar Hoffrichter der Verbrauch gestiegen. „Es kann sein, dass das an unserer Erdgeschosswohnung liegt“, meint Hoffrichter. Für sie ist jedoch klar, dass das neue System zwar Komfort bringt, aber zu einem hohen Preis.
Noch befindet sich das Ehepaar finanziell unter dem Schutzmantel der Pilotphase. Den Mehrverbrauch von derzeit 230 Euro im Jahr übernimmt die RWE-Tochter. Doch wenn die Testphase gegen Ende des Jahres ausläuft, steht die Entscheidung an. „Wir wissen noch nicht, was wir machen. Aber eigentlich haben wir keine Alternative, wenn sich die Regierung doch noch entscheidet, Nachtspeicherheizungen zu verbieten“, sagt Hoffrichter. Eine komplette Umrüstung etwa auf Gasheizung sei in dem Acht-Parteien-Haus unrealistisch.
Ob die "Öko-Heizung" eine wahre Alternative sein kann, steht in den Sternen
Allerdings steht derzeit ohnehin noch in den Sternen, ob die „Öko-Heizung“ für die Hoffrichters außerhalb der Testphase überhaupt eine Alternative darstellen könnte. Widersacher ist momentan noch die Bundesregierung, die sich erst in ein bis zwei Jahren festlegen will, ob der flexible Einkauf von Energie, wie ihn die Idee des Projekts vorsieht, auch für die Stromzulieferung von Haushalten möglich werden soll. Denn für private Nutzer gibt es derzeit nur die sogenannten Standardlastprofile, bei denen die Menge an Strom zu bestimmten Zeiten am Tag genau festgelegt ist. Immerhin habe man das Vorhaben, alle Nachtspeicherheizungen bis 2020 auszumustern, aber schonmal gekippt. Rummeni wertet das als Zeichen dafür, dass man in Berlin erkannt habe, dass auch das alte Heizmodell seinen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Denn gerade die regenerativen Energien brauchten Speicher, um den unregelmäßig eingehenden Strom aufzufangen.