Essen. Erich Wälken lebt seit einem Jahr im Seniorenstift St. Andreas. Dort fühlt er sich aufgehoben. Allerdings fehlt ihm ein adäquater Gesprächspartner.
Viel konnte Erich Wälken aus seinem vergangenen Leben nicht mitnehmen: Ein paar Bilderrahmen mit Fotos der Kinder und Enkel, einen Kalender und eine Collage mit Ruhrgebietswahrzeichen – mehr hängt nicht an den Wänden des kleinen Zimmers, das er seit einem Jahr sein Zuhause nennt. Vom alten in der Julienstraße, wo er 45 Jahre lang lebte, musste sich der 82-Jährige verabschieden, als sein Körper nicht mehr konnte und die Pflege für seine gleichaltrige Frau Hiltrud zu schwer wurde. Jetzt sitzt der Rüttenscheider in der dritten Etage des Seniorenstiftes St. Andreas und schaut durch das bodentiefe Erkerfenster auf den Schulhof des Maria-Wächtler-Gymnasiums. „Ich fühle mich hier geborgen und umsorgt“, sagt der ehemalige Elektriker und spricht von seinem Umzug ins Altenheim als der besten Lösung für alle Beteiligten: „Ich möchte einfach keinem zur Last fallen.“
80 Menschen leben in dem Rüttenscheider Heim, das zur katholischen Contilia-Gruppe gehört. „Alle unsere Bewohner sind pflegebedürftig“, erklärt Veronika de Buhr. Damit bringt die Diplom-Gerontologin, die seit 16 Jahren im Seniorenstift an der Odastraße arbeitet, den großen Unterschied zu früheren Zeiten, als es noch klassische Altenwohnheime gab, auf den Punkt: Heute zieht man erst ins Heim, wenn es gar nicht mehr geht, wenn selbst die ambulante Krankenpflege nicht mehr ausreicht. Sich damit abzufinden, ist nicht leicht. „Ich möchte lieber nicht darüber sprechen, wie schwer es für mich war, mein Zuhause zu verlassen“, sagt Erich Wälken und für einen Moment mischt sich ein trauriger Ausdruck in die sonst so fröhlichen Augen.
Ein adäquater Gesprächspartner fehlt
Der Schritt ins Heim, er ist der letzte auf einem meist langen Lebensweg und er ist endgültig. Das weiß auch Erich Wälken. Das heißt aber nicht, dass die Bewohner in St. Andreas nur noch auf den Tod warten. „Wir möchten den Menschen eine Perspektive geben, legen großen Wert auf Lebensqualität“, sagt Veronika de Buhr und zählt die zahlreichen Angebote des Seniorenstiftes auf: Schlagerrunden, Tanzen, Beautysalon, Bingo-Nachmittage, Ü-60 Parties oder die hauseigene Kegelgruppe „Die flotten Bienen“ – „hier ist jeden Tag was los“, ergänzt Erich Wälken: „Ich singe, gehe regelmäßig zur Gymnastik und natürlich zu allen Feiern.“ Letzten Oktober war er sogar der Weinkönig von St. Andreas.
Was ihm allerdings manchmal fehle, sei ein adäquater Gesprächspartner. Denn viele, die hier wohnen, befinden sich bereits im Dämmerreich der Altersdemenz. „Aber meine Frau kommt ja täglich vorbei und außerdem habe ich Schwester Manuela“, scherzt er. Die hilft nicht nur bei der Körperpflege, beim An- und Ausziehen, sondern findet immer Zeit für ein kurzes Schwätzchen mit dem leutseligen Senior, der augenzwinkernd von „Liebe auf den ersten Blick“ spricht. Über den Tod mag er nicht nachdenken, lieber über die geplante Sommerreise nach Texel, gemeinsam mit dem Seniorenstift und seiner Frau. „Darauf freue ich mich wie ein Kind.“
Das richtige Pflegeheim finden
Ein richtiges Heim für die Mutter, den Vater oder den Ehepartner zu finden, ist nicht leicht. Allein in Essen gibt es 65 Altenpflegeheime mit 7262 Plätzen, dazu noch sechs Altenresidenzen mit 162 Plätzen für die Pflege. „Wer sich genau informieren möchte, wer Fragen zu den einzelnen Einrichtungen hat, der kann sich an uns werden“, sagt Johannes Potgrave von der Heimaufsicht der Stadt Essen. Auf der Internetseite können sich Interessierte eine Heimliste herunterladen sowie einen umfangreichen Bericht über alle Einrichtungen in der Stadt.
„Trotzdem würde ich immer vorschlagen: Besuchen Sie die Heime, die infrage kommen und bilden sie sich selbst ein Urteil.“ Wie ist die Ausstattung? Wie sieht es in den Zimmern aus? Wie wirkt das Personal? Welche Angebote gibt es? „Ja, auch wie riecht es auf den Stationen kann wichtig sein für die Beurteilung“, so Johannes Potgrave. Das bisherige Benotungssystem von Pflegeheimen sei nicht mehr verlässlich, „es ist sehr fragwürdig und unzureichend“. Derzeit wird über ein neues Bewertungssystem nachgedacht.
Natürlich spielen bei der Wahl auch die Kosten eine Rolle: So liegt zum Beispiel im Seniorenstift St. Andreas der Eigenanteil bei Pflegestufe 1 monatlich bei 1874,88 Euro, bei Stufe 2 sind es 2251,04 Euro. Reicht die Rente nicht aus, muss das Ersparte herhalten, der Partner oder die Kinder den Restbetrag zahlen oder Pflegewohngeld beantragt werden.
Mehr Infos: Heimaufsicht, Johannes Potgrave 88 53 215 oder beim Seniorenreferat 88 50 089.