Essen-Karnap.. Gut 100 Karnaper Bürger nutzten am Montag die Gelegenheit, einen Blick in das Zeltdorf im Stadion Mathias Stinnes werfen zu können.
Gut 100 Anwohner nahmen am Montag an der Besichtigung des Zeltdorfes auf dem Mathias-Stinnes-Stadion in Essen-Karnap teil. In der nächsten Woche werden hier die ersten Flüchtlinge eintreffen. 688 Menschen können in den Großraumzelten untergebracht werden.
Die Skepsis im Karnaper „Dorf“ am Beisekampsfurth ist groß. „Fast 700 Flüchtlinge sind zu viel“, lautet der allgemeine Tenor der Bürger, die sich am Nachmittag vor dem Haupteingang eingefunden haben. Sie waren nicht nur der Einladung der Stadtverwaltung gefolgt, sondern zum Teil der Facebook-Gruppe „Carnap im Wandel – original von Originalen“, die zu einer Kundgebung aufgerufen hatte. Maureen Adam (19) hatte Teelichter mitgebracht, „als Zeichen des Friedens“, wie sie sagte. Die Polizei war jedenfalls alarmiert und beobachtete die Szenerie aufmerksam. Echte Kerzen hätte sie nicht geduldet. „Offenes Feuer am Flüchtlingslager ist nicht erlaubt“, warnte ein Polizist.
Sorgen um ihre persönliche Sicherheit machen sich auf jeden Fall die Anwohnerinnen, oftmals Rentnerinnen, die schon seit 50 Jahren in der Siedlung wohnen. „Hier wohnen hauptsächlich ältere Damen und Witwen, sogar eine 102-Jährige, der sie jetzt die Zelte vor das Fenster stellen“, hieß es.
Sorge vor der „braunen Soße“
Eine andere Sorge hat Heinz Tocay vom Essener Bürger-Bündnis. „Wehe, wenn die braune Soße rüber kommt. Das Stadion hat nahe der Autobahn ideale An- und Abfahrtswege, um unerkannt zu bleiben“, befürchtet er Angriffe Rechtsradikaler aus den Nachbarstädten.
In der Kritik steht die Stadt auch, weil angeblich ausschließlich Männer in den 40 Meter langen Zelten untergebracht werden sollen. „So wurde es am Runden Tisch gesagt“, erinnerte sich eine Anwohnerin. Das verwies Sozialamtsleiter Hartmut Peltz jedoch ins Reich der Fabel: „Es kommen sowohl Familien als auch Alleinreisende, etwa im Verhältnis Hälfte/Hälfte.“
Nachdem in dieser Woche die Unterkunft an der Erbslöhstraße belegt wird, beziehen ab Montag täglich 35 bis 40 Flüchtlinge die Zelte in Karnap. Am Ende könnten es 688 Personen sein. „Wir bemühen uns aber, die Zeit mit voller Belegung möglichst zu begrenzen“, versicherte Sozialdezernent Peter Renzel. Doch er machte aus seiner Skepsis auch keinen Hehl, ob das angesichts der mindestens 6400 Flüchtlinge, die Essen in diesem Jahr aufnehmen muss, möglich ist.
Auf die Flüchtlinge wartet in Karnap eine spartanische Unterkunft: vier bis sechs Doppelstock-Betten hinter dünnen Wänden und Vorhängen, Toiletten knapp über Dixie-Niveau, billigste Wasserkräne, zentrale Beleuchtung, Warmluft aus Schläuchen hoch unter der Decke. „Das ist das Geringste, was man Menschen anbieten kann“, befand Stephan Duda (SPD Karnap). „Kein Flüchtling wird hier Ruhe finden.“