Das einstige Essener Carl-Duisberg-Haus, Ausbildungsstätte für Führungskräfte aus Entwicklungsländern, wurde vor 50 Jahren gegründet. Die ersten Bewohner erinnern sich
Als sie vor über 50 Jahren aus Ghana, Togo und Persien nach Essen kamen, waren sie Exoten, nach denen sich die Leute auf der Straße umdrehten. Die Hoffnung auf eine gute Ausbildung lockte Francis Agboka (76), René Dalikou (85) und Manouchehr Shams (76) in die Fremde. Dass sie einen guten Start in ihr neues Leben hatten, verdanken sie, wie viele andere junge Menschen aus aller Herren Länder, der Carl-Duisberg-Stiftung.
Die hatte 1964 an der Witttekindstraße ein gleichnamiges Ausbildungszentrum für Führungskräfte aus Entwicklungsländern mit angeschlossenem Wohnheim gegründet. „Bei uns waren alle Nationen und alle Religionen vertreten“, erzählt Manfred Przybilski, „das Haus war ihr kultureller Mittelpunkt und eine Begegnungsstätte.“ Der Sozialpädagoge und heutige Reiseunternehmer Przybilski, damaliger Leiter des Carl-Duisberg-Hauses, ist fürs Jubiläum extra nach Essen gekommen.
Jetzt sitzt er mit seinen ersten „Schützlingen“ zusammen und schwelgt in Erinnerungen, die er im mitgebrachten Album verewigt hat. Fotos und unzählige Artikel dieser Zeitung füllen die Seiten, denn das internationale Haus war für viele Reportagen gut.
„Weißt Du noch...?“, „Kennst Du noch...?“ beginnt jede Anekdote, die sich die vier mittlerweile ergrauten Herren lachend erzählen. Im Haus wurde gelebt, gelernt und viel und heftig gefeiert. „Jeden Freitag bekamen wir ein Fässchen Freibier“, erinnert sich Francis Agboka. „Ich hatte halt gute Kontakte zu den Stauders“, ergänzt Manfred Przybilski, der trotz seiner damals jungen Jahre („ich war 24“) für die Bewohner zur Vaterfigur wurde. „Ihm haben wir viel zu verdanken, er hat sich für uns stark gemacht und die gute Atmosphäre geprägt“, sagt René Dalikou.
60 Studenten aus 20 bis 30 Nationen wohnten friedlich zusammen, teilten sich die Teeküche. Dort fand das Leben statt, denn Heimweh lässt sich am besten mit Essen bekämpfen. „Ich lernte Gewürze kennen, von denen ich noch nie was gehört hatte und habe alles über die Kulturen aufgesaugt“, sagt Przybilski, für den die Zeit im längst geschlossenen Carl-Duisberg-Haus zu den wichtigsten vier Jahren seines Lebens zählt.
„Diese Gemeinschaft, diese Lebenslust war das Beste, was uns passieren konnte. Sie hat mich mein Heimweh vergessen lassen“, sagt auch Manouchehr Shams. Der Bauingenieur traf in Essen nicht nur seine Liebe, sondern immer wieder Menschen, die ihn unterstützten. Wie die Familie, die ihn 1965 spontan zum Weihnachtsfest einlud: „Ich kam als Fremder und ging als Freund.“ Jahrelang hat ihn die Familie unterstützt, „ohne sie hätte ich mein Studium nicht geschafft“. Ähnliche Erlebnisse teilen auch der Vermessungsingenieur Francis Agboka und der Krankenpfleger René Dalikou. Beide sind wie Shams auch nach der Pensionierung der Stadt treu geblieben, die längst zu ihrer Heimat geworden ist.