„Freiheit“ und Denkmal „Steile Lagerung“ hinter dem Hauptbahnhof
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Essen. Die „Freiheit“ hinter dem Essener Hauptbahnhof gehört zu den unwirtlichen Ecken dieser Stadt, die man schnell wieder verlässt. Hier zeigt sich die Großstadt ungeschminkt.
Essen ist eine Stadt, durch die an etlichen Stellen erbarmungslos der Wind pfeift. Das liegt an den breiten Magistralen, oft gesäumt von Hochhäusern, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Idealbild der modernen Stadt galten. Diese Serie will nicht nur zeigen, was jedem gefällt, sondern sich auch einigen „Unorten“ widmen, Ecken, die die meisten Essener für gewöhnlich schnellen Schrittes durchschreiten - vielleicht zu Unrecht. Einer der härtesten Orte dieser Art ist die „Freiheit“, zwischen Hauptbahnhof und den Hochhausgruppen im Südviertel.
Noch vor 60 Jahren konnte man an dieser Stelle durch den ruhigen, uralten Friedhof am Kettwiger Tor spazieren, der Mitte der 1950er Jahre dem beginnenden Bau des Ruhrschnellwegs weichen musste. Weder für die aufwendige Umbettungsaktion noch für die Autobahn war große Überzeugungsarbeit in der Öffentlichkeit nötig - es verstand sich schlicht von selbst, das man diese Form von Fortschritt wollte. Und so wurde mit einer Konsequenz, die man heute brutal nennen mag, die A 40-Trasse in die Stadt gezwängt. Am besten zu sehen ist diese Ingenieurs-Leistung, die als solche durchaus beeindruckt, von der Plattform an der Kante des Autobahntunnels.
Wasserspiele und neue Bänke
Die Stadt hat dieses Areal im Zuge der Hauptbahnhof-Sanierung neu gestaltet und mit jungen Bäumen, Wasserspielen und Bänken versehen. Allerdings sitzt da nur selten jemand. Übermäßig laut ist es zwar nicht mehr seit der Flüsterasphalt die Rollgeräusche schluckt, aber nur wenige empfinden es offenbar als entspannend, auf dahinsurrende Auto-Kolonnen zu blicken oder die Platte als Treffpunkt zu nutzen. „Wir sehen uns dann am Bergbau-Denkmal“ - das sagen Essener eher selten.
Die Freiheit - früher und heute
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Überhaupt: das Denkmal. So richtig warm geworden sind die Essener nicht mit diesem Werk des Düsseldorfer Künstlers Max Kratz, das die Platte optisch beherrscht. Mit Zollverein schloss 1986 die letzte Essener Zeche, zwei Jahre zuvor hatte die Stadt einen Wettbewerb für ein Denkmal ausgeschrieben, das an die lange Geschichte Essens als zeitweise größte Bergbaustadt Europas erinnern sollte. Noch ahnte ja niemand, dass Zollverein selbst einmal das beste Denkmal sein würde, nachdem die Abrisspläne ad acta gelegt wurden.
„Zur Ehrung der Bergleute und ihrer schwierigen Arbeit unter Tage“, hieß es in der Widmung, als die Bronzeskulptur „Steile Lagerung“ 1989 fertig war. Tatsächlich steht das Denkmal hier durchaus richtig: Die Hochhäuser können mit guten Willen den Strukturwandel symbolisieren, den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsstadt. Die Szene im Flöz verweist auf das alte Essen mit seinen einst über 20 Bergwerken, mit ihrer Anziehungskraft auf Neu-Bürger, vor allem aus Polen und Deutschlands Osten.
Der Hauptbahnhof in Essen in historischen Bildern
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Die Kunstbeflissenen störten sich allerdings an einer allzu naiven Darstellung, an fehlender künstlerische Ausdruckskraft, sprachen von „Bergbaukitsch“. Ehemalige Bergleute monierten hingegen gerade fehlenden Realismus. Nie hätten sie derart unbeholfen mit erhobenem Hammer und eng zusammengehockt in Kohleflözen gesessen. „Ein Bergmann mit einer Grubenlampe in der Hand hätte es auch getan“, hieß es in Leserbriefen an die Essener Zeitungen.
Ein Kunstwerk, das es kaum jemandem Recht machen kann - ein schlechtes Zeichen muss das nicht unbedingt sein. Und es passt vielleicht zu einem Ort, der nicht zum Blümchen pflücken einlädt, aber eines symbolisiert: Großstadt! Ungeschminkt, hart, kühl.
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