Essen.. Gerichtsvollzieher Jörg Heimann spicht über die Bedeutung des Fingerspitzengefühls als Schuldeneintreiber. Er bekommt fast immer einen Kaffee angeboten, wurde nach eigenen Angaben noch nie beschimpft und der brenzligste Fall war der eines Hundes, der ihn einst in die Wade biss.

Wenn Jörg Heimann klingelt, ist es eigentlich schon zu spät. Als Gerichtsvollzieher ist er der Vollstrecker eines Urteils, nicht mehr und nicht weniger. Eine dramatische Geiselnahme mit mehreren Toten, wie im jüngsten Fall in Karlsruhe, ist die Ausnahme – keinesfalls gängiges Berufsrisiko. Denn als Gerichtsvollzieher, so erklärt Heimann im Gespräch mit der NRZ, bekommt er fast immer einen Kaffee angeboten, wurde nach eigenen Angaben noch nie beschimpft, und der brenzligste Fall war der eines Hundes, der ihn einst in die Wade biss.

Die Verschuldung nimmt zu

Es ist sein täglich Brot, Schuldner aufzusuchen. Mehrere pro Tag. Rund 1400 Mal pro Jahr, 2012 waren es bisher 736 Besuche. „Und jeder Schuldner ist anders“, sagt Heimann, der sich seit 1998 um den Bezirk rund um Freisenbruch und Bergmannsfeld kümmert. Die meisten seiner „Kunden“ (sowie deren Zahlungsmoral und -möglichkeiten) kenne er aber schon. „Bei vielen komme ich zum neunten oder zehnten Mal“, erzählt Heimann gelassen, „viele davon sind Hartz-IV-Empfänger.“ 95 Prozent seiner Aufträge seien Geldvollstreckungen. Fast immer gehe es dabei um Konsumgüter: „Der Flachbildschirm auf Raten, gleich mehrere Handyverträge oder Mietschulden – das ist wirklich so, wie man es aus den einschlägigen TV-Sendungen kennt“, sagt der 46-Jährige. Und auch der Direktor des Amtsgerichts Steele, Markus Ausetz, betätigt: „Die Verschuldung der Menschen nimmt insgesamt tatsächlich zu.“

Neben Heimann sind vier Frauen und zwei männliche Kollegen am hiesigen Amtsgericht tätig. Wie die meisten seiner Kollegen kommt er aus dem Dienst der Justiz, fing 1982 als Azubi in Bochum an, wurde später Beamter im mittleren Dienst und machte dann die 20-monatige Ausbildung zum Gerichtsvollzieher. „Ich fühlte mich eingeschränkt als Beamter, jetzt kann ich mich selbstständig organisieren,“ erklärt Heimann.

Und natürlich reizt ihn auch die tägliche Abwechslung. Wie er sich auf seine Termine vorbereitet? „Bei alten Bekannten weiß man ungefähr, was einen erwartet, ansonsten ist alles möglich. Ohne Selbstvertrauen geht nichts“, betont er. Erst in seinen 13 Jahren Berufserfahrung lernte er das, was keine Theorie vermitteln kann: Fingerspitzengefühl. Nicht zuletzt liegt es an ihm, seinem Bemühen um faires, freundliches Auftreten und darum, Konflikte zu vermeiden, dass sie ihn reinbitten: Erst mal einen Kaffee.

Die Zahl der Wohnungsräumungen, wie eben auch die in Karlsruhe, beträgt im Übrigen durchschnittlich rund ein Prozent. Theoretisch können Gerichtsvollzieher immer eine Polizeistreife mitnehmen. Wie oft Heimann diese „Vorsichtsmaßnahme“ in Anspruch nahm, lässt sich an einer Hand abzählen.

Auch wenn er in all den Jahren lediglich mit einem Hund in Streit geriet, der ihm deutlich seine Abneigung zeigte und Heimann seinen Beruf nicht eintauschen will, zieht er klare Grenzen: „Manche Kollegen wohnen im eigenen Bezirk – das könnte ich nie!“ Heimann selbst wohnt in Bochum, an der Stadtgrenze zu Steele, dort, „wo die Chance geringer ist, (Bald-)Schuldner in der Kneipe nebenan zu treffen.“