Essen. Im Rahmen einer großen Ballett-Gala wurde am Wochenende im Aalto-Theater Essen der Deutsche Tanzpreis an Ivan Liska, Chef des Bayerischen Staatsballetts München, vrliehen. Der Zukufts-Preis ging an die Tänzerin Gözde Özgür.
Tanz, das sei buchstäblich auf die Spitze getriebener Irrsinn. Was tut man sich da an, für eine kurze, manchmal für gar keine Karriere. Nein, das sagt kein Gegner des wohl härtesten aller Künstler-Berufe. Das sagt Schriftsteller Wolf Wondtratschek, der in der glanzvollen Gala zur Verleihung des Deutschen Tanzpreises im ausverkauften Aalto-Theater die Laudation für „Zukunft“-Preisträgerin Gözde Özgür hielt. Er zählt zu den absoluten Fans des Tanzes aber auch des Bayerischen Staatsballetts, das so gut wie vollzählig in Essen angetreten war. Denn nicht nur Gözde Özgür stammt aus den Reihen dieser großen deutschen Kompanie. Hauptpreisträger des Abends war Ivan Liška, der in der 14. Saison die Vorzeige-Kompanie leitet, die sich der Pflege der großen klassischen Tradition verschrieben hat und dabei Neues nicht aus dem Blick verliert.
Der österreichische Autor legte seinen verbalen Finger in die Wunden, den schmerzenden Rücken, die verschlissenen Gelenke oder gerissenen sehnen, von denen die viele der Anwesenden ihr Lied singen können. Und nicht jeder kann dabei auf automatisch große Karrieren zurückblicken, wie Birgit Keil, Konstanze Vernon, Susanne Linke oder Gregor Seyffert, die hier nur stellvertretend für viele anwesende frühere Preisträger genannt seien. Leises, nachdenkliches Nicken, zum Glück aber viel öfter ein Schmunzeln ging durch die Reihen, als Wondratschek das verdiente Lob auf die junge Türkin sang, die mit 15 das heimatliche Ankara verließ, um in Zürich weiter zu studieren und später München an ihrer Karriere zu bauen. „Glück, Ihren Knochen und Ihrer Seele“, so Wolf Wondratschek. Was kann man einer jungen Tänzerin mehr wünschen?
Vielleicht noch „strahle weiter“, so wie es Hortensia Völckers dem nach über 40-jähriger glanzvoller Karriere immer noch jungenhaft-smarten Ivan Liška am Ende ihrer Laudatio zurief. Strahlen. Dieses verleiht der 61-jährige gebürtige Tscheche seinen Tänzern, seiner Kompanie, die nicht nur zahlenmäßig zu den großen des Landes zählt. Die war mit etwa 70 Tänzerinnen und Tänzern angereist und zeigte einen eher lyrisch grundierten Querschnitt durch das große Repertoire, zu dessen Säulen vor allem auch die Klassiker des Hamburger Ballettchefs John Neumeier zählen, die Liška (dessen langjähriger Solotänzer) seither nach München holte.
So war der Pas de deux aus Neumeiers „Kameliendame“ sicher ein mit Spannung erwarteter Höhepunkt. Auf der Bühne: die Stars. Lucia Lacarra als Marguerite und Marlon Dino als ihr Liebhaber Armand (und Ehemann im wirklichen Leben). Beide verbanden hier stilistische Brillanz mit technischer Perfektion. Der Armand gehörte übrigens lange zu Liškas Paraderollen.
Neben Auszügen aus Klassikern wie Neumeiers „Nussknacker“ oder John Crankos „Widerspenstigen Zähmung“ stand der Pas de deux aus Mats Eks „Giselle“ auf dem Programm. Sicher eine Arbeit, die das Zeug zum modernen Klassiker hat, die aber durch die wunderbare Durchdringung der Titelrolle mit Preisträgerin Gözde Özgür (und Matej Urban als Albrecht) erst berührte. Da war die mehrteilige Arbeit von Nacho Duato zu Musik Bachs eher eine großartige, abschließende Leistungsschau der Kompanie.
Die Essener werden erfreut das Bekenntnis von OB Reinhard Paß zur Tanzstadt Essen gehört haben: „Wir sind stolz, Gastgeber einer solchen Veranstaltung zu sein. Für mich gehört der Tanzpreis ganz klar nach Essen.“
Der nächste Deutsche Tanzpreis wird am 2. März 2013 in Essen verliehen.