Essen/Mülheim. Nach dem Erfolg einer Polizistin vor Gericht können weitere acht Beamte ihren Dienst wieder aufnehmen. Sechs gehören zum Präsidium Essen.
Acht weitere wegen mutmaßlicher Nazi-Chats suspendierte Polizisten dürfen ihre Uniformen wieder anziehen. Sechs von ihnen gehören zum Präsidium Essen. Nachdem sich eine Beamtin vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf erfolgreich gegen die Maßnahme der Behörde gewehrt hatte, entschied das zuständige Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP) am Dienstag: In acht weiteren „vergleichbaren Fällen sind die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Verbote zur Führung der Dienstgeschäfte zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr erfüllt“.
Das LAFP habe daher heute die beiden betroffenen Polizeibehörden in Essen und Duisburg gebeten, das „Verbot der Führung der Dienstgeschäfte“ unverzüglich aufzuheben, heißt es. Die neun Disziplinarverfahren aber werden fortgeführt, betonte LAFP-Sprecher Victor Ocansey.
Gleichzeitig machte der Sprecher deutlich: Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei keine Sanktion oder Strafe, sondern eine beamtenrechtliche Maßnahme, die aus zwingenden dienstlichen Gründen getroffen werden kann, etwa um den Schutz der Betroffenen vor möglichen „Anfeindungen“ zu gewährleisten und Klarheit über die tatsächlichen Begebenheiten zu erlangen, ohne dass sich die betroffenen Personen dabei im Dienst befinden.
Gewerkschaft bringt unabhängigen Gutachter ins Spiel
„Man differenziert nun offensichtlich, nachdem das Verwaltungsgericht die Richtung vorgegeben hat“, kommentierte Heiko Müller, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei für Essen und Mülheim (GdP), die LAFP-Entscheidung. Mit Blick auf das selbst für Juristen kritikwürdige Vorgehen des Landesamtes brachte Müller einen unabhängigen Gutachter ins Spiel, der einzuschalten ist, bevor Beamten öffentlichkeitswirksam die Schulterklappen abgerissen werden. „Wir brauchen eine neutrale Stelle, die solche angeblichen Dienstvergehen prüft.“ Bei seiner Kritik betonte der GdP-Vorsitzende, dass nicht die Behörde Essen die Ermittlungen geführt habe, sondern das zuständige Landesamt.
Dass die getroffenen dienstrechtlichen Konsequenzen nach den Vorwürfen rechtsextremistischer Posts vor allem in einer Mülheimer Dienstgruppen in immer mehr Fällen nicht haltbar sind, zeigt nach Einschätzung der GdP, wie vorschnell die Entscheidungen womöglich gefallen sind und wie sehr die Vorwürfe pauschalisiert wurden. Müller betonte zudem: „Ein empfangenes Bild ist nicht gleichzusetzen mit einer Einstellung eines Beamten oder einer Beamtin.“
Es gibt auch Fälle, die disziplinarrechtlich erweitert wurden
Der Polizistin aus Essen, die zuletzt für das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD) in Duisburg arbeitete, war durch das LAFP vorgeworfen worden, Dateien mit rechtsextremem Inhalt empfangen zu haben. Ihr wurde - wie 30 weiteren Kollegen auch - deswegen mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte verboten. In seiner bemerkenswert deutlichen Entscheidung teilte das Gericht mit, das Handeln der Behörde habe nicht den Erfordernissen einer Einzelfallprüfung genügt. Die Beamtin hatte in 2013 ein Bild via WhatsApp erhalten. Bei genauer Prüfung stellte das Gericht fest, dass es sich um eine Darstellung aus einem satirischen Beitrag handelte, der über YouTube abrufbar ist.
Auf Nachfrage betonte LAFP-Sprecher Victor Ocansey aber auch, dass es durchaus „noch andere Fälle gibt, die disziplinarrechtlich erweitert wurden“ und die Untersuchungen bei zumindest einem Beamten Anlass für weitere strafrechtliche Ermittlungen sind. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Duisburg hat nun insgesamt 15 Verdachtsfälle mutmaßlich rechtsextremistischer Chats im Visier.
Ein Beamter soll private Kontakte zu den „Bandidos“ gepflegt haben
Einer der beschuldigten Beamten soll Mitglied der Essener Hooligangruppierung „Alte Garde“ sein und private Kontakte zu den „Bandidos“ gepflegt haben. Das habe sich aus der Auswertung seines Handys ergeben, heißt es in einem auf Montag (26. Oktober) datierten Bericht der Landesregierung an den Innenausschuss.
Darüber hinaus wird seit Anfang des Monats gegen zwei Dienstgruppenleiter des Polizeipräsidiums Essen/Mülheim wegen Strafvereitlung im Amt ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, die Schläge eines Polizisten gegen einen bereits gefesselten Mann gedeckt zu haben. Nun ist eine neue Querverbindung bekanntgeworden: Einer der beiden Dienstgruppenleiter war Mitglied der rechtsextremen Whatsapp-Gruppe und ist bereits suspendiert.