Essen. Rollentausch in Rüstung: Die Uraufführung von Tariq Alis „Die neuen Abenteuer des Don Quijote“ im Essener Grillo-Theater wurde vom Publikum begeistert gefeiert. Dabei trägt der gut 90-minütige Abend vor lauter philosophischen, religiösen, literarischen Bezügen schwer am eigenen Anspruch.

Nicht nur Romantikern gilt Cervantes’ „Don Quijote“ auch nach 400 Jahren als Universalkunstwerk mit einem zeitlosen Helden. Man kann den fuselbärtigen Ritter heute freilich auch als Sinnbild des „alten Europäers“ verstehen, als komisch Gestrigen, der immer noch störrisch für das Gute, Schöne und Wahre kämpft, während ihm die Amis vor der Küste Somalias eine Ladung Blei auf den Blechhelm pusten.

Tariq Ali, 1943 im heutigen Pakistan geboren, bekennender Sozialist und Antiimperialist, hat ein Auftragswerk für das Schauspiel Essen geschrieben. In „Die neuen Abenteuer des Don Quijote“ schickt er Cervantes’ Helden auf einen Globalisierungstrip 2.0. Denn wenn Don Q nicht gestorben ist, so Alis Arbeitsthese, dann kämpft er noch heute gegen Windmühlen, Kapitalisten, Fremden- und Schwulenfeindlichkeit und gegen die Weltpolizei Amerika sowieso. Nur die NSA-Affäre ist zu spät gekommen.

Dabei trägt der gut 90-minütige Abend vor lauter philosophischen, religiösen, literarischen Bezügen schwer am eigenen Anspruch. Da treffen sich Sartre und seine Simone, um über das Verhältnis von Intellekt und Leidenschaft zu reden, da macht die Dulcinea von heute (vielseitig: Ines Krug) dem klemmigen Ritter im US-Lazarett von Landshut Avancen. Und die Banker ergötzen sich nach Börsenschluss an ihrer Systemrelevanz.

Die Reise muss am Ende weitergehen

Der französische Regisseur Jean-Claude Berutti macht aus dem globalen Ritt durch die Weltgeschichte eine gefällige Mischung aus bilderbunter Weltverbesserungs-Revue und Anti-Diskriminierungs-Roncalli mit Musik und Tieren. Jan Pröhl als mauliges Maultier und Ingrid Domann als Rosinante erledigen diese Aufgabe mit Noblesse.

Doch die Reibung mit der politischen Realität schlägt keine echten Funken. Der Mob, der die Romasiedlung stürmt, die rechten Schläger, die den arabischen Dichter (Rezo Tschchickwischwili) bedrohen, bleiben Randerscheinungen in einem losen Stationendrama, das in der arabischen Wüste auch noch zur Gründung eines schwulen Staates Sodom findet. Da lässt der Ritter von der traurigen Gestalt fast als Ritter der Kokosnuss grüßen.

Silvia Weiskopf indes macht aus diesem Zeitreisenden einen anrührenden Zausel mit Blechbauch und sanftem Gemüt, wild taumelnd zwischen idealistischen Parolen und pathetischen Posen, während Jens Ochlast als Diener Sancho P die handfeste Seite des Weltverbesserer-Gespanns betont. Und weil sie für Tariq Ali unsterblich sind, muss die Reise am Ende weitergehen – nach China. Begeisterter Applaus im Grillo-Theater.