Dellwig..


Der Dellwiger Friedhof an der Levinstraße ist nicht nur ein Ort der Ruhe, sondern auch einer der Kommunikation. Niemand weiß das besser als Bärbel Grobelny, die regelmäßig vorbeischaut, um das Familiengrab zu pflegen; aber auch, um sich mit Freunden und Bekannten zu treffen. Momentan drehen sich die Gespräche nur um ein Thema: die Kaninchenplage.

„Wildkaninchen hat es auf dem Friedhof zwar schon immer gegeben“, sagt Bärbel Grobelny. „Doch mittlerweile hat der Bestand erheblich zugenommen, dass wir echte Probleme haben.“ So schlimm war es noch nie. „Am Tage lassen sich die Kerle nicht blicken“, sagt Helga Hendricks. „Doch mit Einbruch der Nacht und am frühen Morgen machen sie sich über die frischen Anpflanzungen her.“

Die Langohren knabbern an den Erika-Sträuchern, kappen die frisch geschnittenen Rosen und machen selbst vor Kunstblumen nicht Halt. „Zudem buddeln sie gerne nach Wurzeln“, ärgert sich auch Anneliese Kirkner. Wurzeln zählen für die Tiere ebenso zu den Delikatessen wie Blumenblüten. „In einem Beet standen 25 frische Chrysanthemen“, sagt Anneliese Kirkner. „Doch schon nach drei Tagen waren alle weg.“ Nun macht sie sich ernste Sorgen, ob ihre Grabstätte bis Weihnachten kahlgefressen ist.

Großes Nahrungsangebot

Oft wird das Grün – wegen des großen Nahrungsangebotes – gar nicht gefressen, sondern einfach abgebissen und verrottet dann. Anne Hülshorst kann davon ein Lied singen. Kürzlich ließ sie für 66 Euro neue Sträucher setzen, nun ist alles ruiniert. „Man hat mir geraten, es mit einem Tannenbouquet zu versuchen, doch das hätte auch 50 Euro gekostet. Und das kann ich mir einfach nicht leisten“, klagt sie.

Die Kaninchen zu vertreiben, gestaltet sich schwierig. Das Ausbringen von übelriechenden Ölen auf die Gräber erwies sich als ebenso nutzlos wie das Einzäunen der Beete. Friedhofsgärtner Wolfgang Bäumer – ein Jäger – könnte helfen und den Tierbestand mit der Flinte regulieren. „Doch das Problem ist, dass wir seit Jahren keine Abschussgenehmigung erhalten“, sagt er. Die letzte Genehmigung lief nach drei Jahren fristgerecht am 31. März 2010 aus. Weitere Anträge von Pastor Richter (St. Michael) im Oktober 2010 und von Bäumer selbst im Juli 2011 fanden keine Berücksichtigung. „Eine Antwort der Unteren Jagdbehörde steht bis heute aus.“

Manchmal löst sich das Problem jedoch von selbst, wie Helga Hendricks weiß. In den 1960er Jahren war ihr Schwiegervater selbst Friedhofsgärtner in Dellwig. „Auch damals gab es eine Kaninchenplage. Doch da löschte eine Krankheit die gesamte Population aus.“ Die Myxomatose hat ihre „Hochzeit“ übrigens im Frühjahr und Sommer. So wie es aussieht, können die Leid geprüften Senioren aus Dellwig im Augenblick nur auf diese „natürliche“ Hilfe hoffen.

Das Problem ist bekannt

Der Ärger mit den Kaninchen ist nicht nur der Friedhofsverwaltung, sondern auch dem Kirchenvorstand bekannt. Bis Ablauf der Abschussgenehmigung im März 2010 jedoch schien man das Problem im Griff zu haben.

Von September 2007 an ging Friedhofsverwalter Wolfgang Bäumer gemeinsam mit einem weiteren Jäger auf die Pirsch. „Natürlich darf man nur in bestimmten Teilen des Geländes schießen, doch der Abschuss zeigte Wirkung“, sagt Bäumer.

Zwar gebe es auch noch andere Methoden, die Kaninchen zu vertreiben, doch nicht jede ist erfolgversprechend. So führte Bäumer ein Gespräch mit einem Falkner, der Raubvögel zur Abschreckung von Nagern einsetzt. Auf Friedhöfen sei dies aber nicht unproblematisch. Bäumer: „Die Vögel können sich an den harten Grabsteinen die Krallen verletzen oder gar die Flügel brechen.“ Und Gift dürfe man dort natürlich auch nicht auslegen.

Warum die Untere Jagdbehörde keine neue Abschussgenehmigung erteilte, kann niemand sagen. Auch nicht Rüdiger Rehm, Mitglied des Kirchenvorstands, der nun um schnelle Hilfe bemüht ist: „Der Vorstand kümmert sich natürlich um etliche Dinge in den Gemeinden. Doch wir werden versuchen, eine Genehmigung zu erwirken.“

Reich gedeckte Tafel

Des einen Leid, des anderen Freud. Während die Friedhofsbesucher über angeknabbertes Grün auf den Grabstätten klagen, fühlen sich die Täter, die Kaninchen, auf der weiten Anlage an der Levinstraße offensichtlich pudelwohl.

Nahezu ungehindert können sich die Langohren am Grün zu schaffen machen. Nachtaktiv, bleibt genügend Zeit zum Fressen. Dank der reich gedeckten Tafel können die Kaninchen sogar wählerisch sein.

Da Abwehrmaßnahmen kaum greifen, der Fuchs als natürlicher Feind nahezu verschwunden ist, und der Abschuss der Nager derzeit nicht erlaubt ist, droht ihren eigentlich nur Gefahr durch die „Kaninchenkrankheit“, der Myxomatose. Eine Virusinfektion, die binnen zwei Wochen zum Tode führt. Doch vielleicht sind die Tiere gegen einige Erreger schon resistent.