Essen.. Farbbomben, Pinsel und Pommesschalen: Künstler und Sprayer erwiesen der Parkhaus-Ruine an der Rottstraße mit einer Graffitiaktion die letzte Ehre. Der Abriss ist seit Ende Juli im Gange, Anfang November wird das architektonische Juwel der 1960er Jahre Geschichte sein.
Ein bisschen wehmütig schaut Björn Krüger schon drein, während er da Samstagnachmittag am Bauzaun an der Rottstraße lehnt, an einer Flasche alkoholfreien Biers nippt und seinen Blick über die Fassade schweifen lässt. Der 37-Jährige aus Schönebeck hat zum schwungvollen Parkhaus aus den Sechzigern, dessen letzte Wochen bevorstehen, ein besonderes Verhältnis: „In meiner Master-Thesis habe ich mich mit dem Bau und seiner Umnutzung beschäftigt“, erzählt der Architekt, der in Münster studiert hat.
Schnell noch ein paar Fotos
Zur Abrissparty samt Kunstaktion zieht es ihn wieder in die Nordcity. Mit der Wolff-Gruppe hatte er seinerzeit Kontakt gesucht, um Ansichten im Zwischenstadium zu kommen. Inzwischen ist bekanntermaßen der städtische Allbau am Planungs- und Entwicklungsruder. Bevor alles dem Erdboden gleichgemacht wird, nutzt Björn Krüger die Chance und fotografiert scheinbar jede Horizontale.
„Ich wollte mich damals zum Abschluss meines Studiums einem Thema in meiner Heimatstadt widmen“, sagt er über das Ende seines „Münsteraner Exils“. Seine Ideen für das Parkhaus-Areal haben verblüffende Ähnlichkeit zu den Zukunftsvisionen von Allbau und Unperfekthaus-Macher Reinhard Wiesemann – auch wenn sie das Parkhaus nicht mehr als Klotz am Bein haben.
„In meiner Arbeit hatte ich nach der Entkernung eine funktionale Nutzung in das Gebäude reingeplant“, erklärt Krüger. Seminarräume für Uni oder Volkshochschule und Arbeitsraum für Freischaffende, neudeutsch „mobile offices“. Die Nordcity als kreative Keimzeile – mit einer Architektur, die sich wie kaum eine andere in ihre Umgebung einfügt. „Leider steht es ja nicht unter Denkmalschütz“, findet Björn Krüger. Zustimmen würden ihm wohl viele Parkhaus-Freunde, aber: Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?
Spielwiese für einen Tag
Solchen Phantom-Schmerzen und melancholischen Gedanken geben sich die Aktiven der urbanen Straßenkunstszene am Samstag erst gar nicht hin: „Wir veranstalten hier heute Spaß“, sagt Karin Hitz (34) von der Künstlergruppe „I Heart Ruhr York“, während sie ihren weißen Ganzkörperanzug mit Farbtupfern zurecht zieht.
Ihr und ihren Mitstreitern reicht die Spielwiese für einen Tag – es geht um die Partizipation der Besucher. „1600 Farbbomben haben wir in Eigenregie befüllt“, sagt ein anderer aus der Künstlergruppe. Karin Hitz gießt derweil Farbe in Pommesschalen und reicht Pinsel. Wie bei Beuys sollen sich alle entfalten können – aber nur auf den Fliesen im Innenraum. Die Fassade bleibt den wahren Sprühkünstlern der Szene überlasen.
Eine Hauseigentümerin hält nichts von der ganzen Aktion: „Man hätte den Leuten mal Ruhe gönnen können.“ Rausgeschmissenes Geld für die alternative Szene, so lautet ihr Urteil. „Ich erhoffe mir, dass durch den Neubau das Viertel saniert wird, eine anständige Nachbarschaft entsteht“, sagt die Dame. Bisher sei die Situation beängstigend.
„Wir wollen jetzt auch mal. Beiseite!“
Dieses Gefühl vermitteln die Bewohner des nahen GeKu-Hauses nicht: „Wir wollen jetzt auch mal. Beiseite!“ Mit markigen Worten drängen sie sich an die Farbbeutel-Front. Auch der finanzielle Motor für die Sanierung der Kreuzeskirche, Reinhard Wiesemann, gönnt sich den bunten Spaß. „Mein Block“, die Bezeichnung fürs Viertel, weist Wiesemann lachend zurück, auch wenn er mehr im GeKu-Haus an der Viehofer Straße als im ländlichen Horst wohnt. „Man ist viel spontaner – wie in der Jugend“, erklärt er den Standortwechsel.
Unbekümmert hatten sich wohl auch Hobbyfotografen und Björn Krüger einen Gang ins Innere gewünscht. Ein bisschen Hoffnung macht ihm Stefan Messink vom Allbau: „Kommen Sie am Montag. Dann schauen wir mal.“