Essen..
Die Tür zum DGB-Haus an der Schützenbahn scheint für die Kreativszene noch nicht endgültig zugeschlagen zu sein.
Zwar sitzt die Künstlerinitiative Freiraum 2010, die das Haus besetzt hatte, nach wie vor auf der Straße (die WAZ berichtete), aber immerhin prüft die VTG, die Vermögensverwaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der die Immobilie gehört, von einer Klage abzusehen.
So schildert jedenfalls Freiraum-Sprecher Joscha Hendricksen den Stand der Dinge. Dies bestätigte auch Gewerkschaftssekretär der IG Bauen-Agrar-Umwelt Holger Vermeer. „Der Vorstand des Gewerkschaftsbezirks befürwortet jedenfalls einen Rückzug der Klage sowie eine ernsthafte Prüfung der kulturellen Nutzung des Essener Baus durch die Berliner Stellen“, so Vermeer.
Interesse an Nord-City
Man hoffe auf eine Lösung im Sinne aller Beteiligten, die notfalls auch erst schrittweise erfolgen könne, so Joscha Hendricksen. Etwa eine Teilöffnung des Hauses für Ateliers und Probenräume der Kreativen aus den unterschiedlichen Disziplinen, von der Bildenden Kunst über Musik bis zum Tanz.
Es ist eben nicht nur das Haus mit seinen zahlreichen Räumen, sondern gerade auch die Lage am Übergang zur Nord-City, an der das Interesse wieder langsam zu wachsen scheint. Dass neben den Entwicklungsplänen des Investors Klaus Wolff zwischen Kreuzeskirche, Rottstraße und Kastanienallee auch der Essener Unperfekthaus-Betreiber Reinhard Wiesemann, der kürzlich eine Großimmobilie an der Viehofer-Straße für wirtschaftlich-kulturelle Mischfunktion erwarb, Engagement für das Problemviertel zeigt, stimmt hoffnungsvoll.
Das sieht auch Joscha Hendricksen so. Der Bedarf für Atelierräume scheint jedenfalls groß zu sein. Über 100 konkrete Anfragen habe es in den vergangenen Tagen bereits gegeben, der Realbedarf könnte sogar größer sein, so der Freiraum-Sprecher. Dass eine qualitätsvolle Belebung des mehr und mehr absterbenden Kleinraums zwischen Schützenbahn und Viehofer nur zu wünschen ist, weiß jeder, der das Areal durchquert. Tendenziell tot, Tag und Nacht.
Was in Hamburg, Berlin oder Köln möglich war, nämlich die kreative Szene in einzelne Stadtviertel zu holen und diese sukzessive zum pulsierenden Mischquartier von Wohnen, Arbeiten und Einzelhandel zu etablieren, scheint man im Ruhrgebiet und Essen bisher eher verschlafen zu haben.
Das sieht auch Marcus Kalbitzer vom Kulturbeirat der Stadt so. „Wir dürfen uns nicht wundern, dass die Kreativen abwandern. Die Stadt hat ja noch nicht einmal eine Bedarfsanalyse für Atelier- und Probenräume getätigt.“ Auch er findet das DGB-Haus ideal für diese Szene. Und wenn Leute wie Wolff oder Wiesemann sich auf einmal engagierten, müsse doch in diesem Viertel Potenzial sein.
Das findet die Interessen- und Standortgemeinschaft (ISG) Nördliche Innenstadt schon seit Jahren und stellt sich deshalb auf als „innerstädtisches Zentrum für Kreative“, sagt ISG-Vorstand Andreas Hausner. Wie Kalbitzer findet er, müsse man dafür sorgen, dass die kreative Freie Szene dem Ruhrgebiet nicht achtlos entgleitet. Auch die seien schließlich potenzielle Einwohner einer Stadt, die mit der Schrumpfung kämpft.
In einem ersten Schritt hat die ISG versucht, das Quartier sauberer und sicherer zu machen. Jetzt soll die Entwicklung zum Kreativquartier weiter gehen. Die Aktion der Künstlerinitiative an der Schützenbahn sieht Hausner als „Beleg dafür, dass kreative Köpfe sich hier angezogen fühlen“. Die Wiesemann-Ansiedlung an die Viehofer Straße sieht Hausner ebenso als Schritt in die Richtung zum Kreativquartier wie das „Unprojekte“-Festival , mit der ab August leer stehende Ladenlokale am Kopstadtplatz bespielt werden sollen.