Essen. Das Gesundheitsamt Essen findet die Coronavirus-Hysterie von Firmen „absurd“. Diese schickten Mitarbeiter nach Fernost-Reisen in „Zwangsurlaub“.
Die Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus treibt in Essen seltsame Blüten: So sollen verschiedene Essener Unternehmen Mitarbeitern, die im Urlaub in Fernost waren, vorsichtshalber untersagt haben, an ihre Arbeitsplätze im Betrieb zurückzukehren. Betroffene Mitarbeiter sind offenbar vom Arbeitgeber angewiesen worden, 14 Tage länger zu Hause zu bleiben.
Beim Gesundheitsamt Essen, dem solche Fälle in den letzten Wochen bekannt geworden sind, ruft dieses restriktive Verhalten von Unternehmen Kopfschütteln und Irritationen hervor. Die Mikrobiologin Marina Lorsch sagt: „Mitarbeiter wegen der Angst vor dem Coronavirus in Zwangsurlaub zu schicken oder zu Homeoffice zu zwingen, ist hanebüchen.“
Bei den „Zwangsurlaubern“ handele es sich nicht nur um China-Reisende, sondern auch um Essener, die Urlaubsziele in fernöstlichen Nachbarländern angesteuert hätten. „In einem Fall war sogar ein Thailand-Reisender betroffen“, fügt die Expertin des Gesundheitsamtes hinzu.
Mikrobiologin: „Kein einziger Nachweis für die Existenz des Coronavirus’ in Essen“
„Völlig absurd“ findet Marina Lorsch die Panik-Reaktion mancher Firmen auch deshalb, weil beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, sich mit Influenza-Viren zu infizieren weitaus größer sei. „Influenza-Viren umgeben uns, aber für die Existenz des Coronavirus’ in Essen gibt es nicht einen einzigen Nachweis“, so die Mikrobiologin. Bislang habe es in Essen auch noch keinen Fall von Quarantäne gegeben.
Die Grippewelle in Essen verläuft nach Darstellung des Essener Gesundheitsamtes in dieser Saison bislang „normal“. Das Landeszentrum Gesundheit (LZG) in Bochum führt exakt Buch über die Influenza-Fallzahlen in Essen und anderswo. In diesem Jahr hat die Landesbehörde bis zur 7. Kalenderwoche (Stichtag 19. Februar 2020) 191 Fälle registriert. Im Jahr davor waren es im selben Zeitraum 106. In der siebten Kalenderwoche (10. bis 16. Februar) sind in Essen 51 neue Grippe-Fälle erfasst worden. „Die Essener Fallzahlen für die aktuelle Grippesaison sind nicht besorgniserregend“, sagt auch die Sprecherin des Landeszentrums Gesundheit, Melanie Pothmann.
Landesamt beruhigt: „Karnevalsfeierlichkeiten verstärken die Grippewelle nicht“
Erfasst werden jedoch nur meldepflichtige Influenza-Fälle (mit Labor-Nachweis). Das Gesundheitsamt Essen geht daher von höheren Fallzahlen aus, denn viele niedergelassene Ärzte verzichteten bei Grippe-Diagnosen auf den Labor-Nachweis.
Die weit verbreitete Angst vieler Menschen, sie könnten sich an den Karnevalstagen einen Influenza-Virus einfangen, hält die LZG-Sprecherin für unbegründet. „Es gibt keinerlei Hinweise, dass die Karnevalsfeierlichkeiten die Grippewelle bestärken.“
Weil sich die Grippe durch eine Tröpfcheninfektion verbreitet, kann man sich den Virus auch einfangen, indem man verunreinigte Gegenstände – eine häufig genutzte Türklinke oder den Haltegriff eines Busses – anfasst (Schmierinfektion). „Eine gute Vorsichtsmaßnahme ist deshalb häufiges Händewaschen“, so Marina Lorsch. Ebenfalls sei es ratsam, sich von Menschen fernzuhalten, die deutliche Krankheitssymptome wie Niesen und Husten zeigten. An dritter Stelle nennt die Mikrobiologin im Infektionsschutz die Grippe-Schutzimpfung.