Essen. Der 26-jährige Wolfram-Maria Märtig war drei Jahre lang Dirigent am Essener Aalto. Jetzt macht den nächsten Karriereschritt und wechselt an die Staatsoper Berlin. Sein neuer Chef: Dirigenten-Legende Daniel Barenboim.
Drei Jahre lang war Wolfram-Maria Märtig Solorepetitor und Dirigent am Aalto. Jetzt macht der erst 26-Järige den nächsten Karriereschritt und wechselt aus dem Stadtgarten Unter die Linden: An der Staatsoper Berlin, die derzeit nicht wirklich Unter den Linden, sondern wegen Bauarbeiter im Schiller-Theater residiert, wird er „Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung“ unter Dirigenten-Legende Daniel Barenboim. 2013 winkt ihm dort der Titel des Staatskapellmeisters.
Das zweifelhafte Etikett des Wunderkindes wurde Wolfram-Maria Märtig schon früh angepappt. In einer Hamburger Musikerfamilie mit drei älteren musizierenden Brüdern aufgewachsen, lernte er Klavier, Geige und Horn. An der Seite seines Bruders Kaspar-Laurenz (Trompete) war er einer der jüngsten Bundessieger im Wettbewerb „Jugend musiziert“ und einer der ersten Preisträger der Bundesapothekerkammer, die die Bundessieger gemeinsam mit dem Deutschen Musikrat auszeichnete. „Mit acht Jahren stand ich mit meinen Eltern auf der Bühne von Senioreneinrichtungen und habe seichtes Operetttenzeug gespielt.“ Ernsthaft waren seine Studien im Hamburg (Klavier und Horn) sowie seine Dirigentenausbildung bei Prof. Prick, die er 2004 abschloss. 2008 wurde er Kapellmeister in Nürnberg, dann kam er ans Aalto.
Start in den Job am 21. August
Märtig ist ein bekennender Fan von Musikprojekten. In seiner Hamburger Zeit hat er verschiedene Ensembles gegründet, in Essen hat er kurz nach der Gründung 2012 den „Konzertchor Essen“ als Leiter übernommen, mit dem er bei einem Benefizkonzert Geld für die Orchesterakademie der Philharmoniker eingespielt hat „Alle, die dabei sind, wollen gern und entspannt Musik machen. Das macht einfach Spaß. Und ich kann eigene, Programme entwickeln“ - ein Vorgriff auf den Posten eines Chefdirigenten. Was würde er spielen lassen? „Ganz viel Romantik und Spätromantik“, sagt er sofort, und seine Augen beginnen zu glänzen. „Da gibt es so viel schöne Musik, die zu Unrecht vergessen worden ist.“ Einer seiner Favoriten ist Erich Wolfgang Korngold, der nicht nur Opern gemacht hat, sondern auch Filmmusik. Und was würde er nicht spielen lassen? Das Leuchten erlischt. „Beethoven. Beethoven fand ich immer öder. Aber vielleicht bin ich noch nicht im richtigen Alter dafür.“
Der Sprung nach Berlin gelang ihm mit einer Bewerbung mit einem Mitschnitt der Essener „Madame Butterfly“ Die hohen Herren der Staatsoper entschieden, das Probedirigieren könne er sich sparen. Nur zum Vorspielen am Klavier musste er Ende Mai antreten. Maestro Barenboim persönlich blätterte ihm dabei die Noten um. Kurz darauf kam das Schreiben aus Berlin: Am 21. August bitte Unter den Linden antreten. Im Gepäck die Noten für den „Freischütz“, Madame Butterfly. Und: „Ich fange wieder mit ,Siegfried’ an“, den er erst im Juni im Rahmen des „Ring der Nibelungen“-Projektes am Aalto dirigiert hat. Martig lacht auf: „Aus Wagners Ring komme ich vorerst nicht raus.“
Zu Märtigs künftigen Verpflichtungen als Barenboims Assistent werden auch regelmäßig Reisen nach Mailand gehören. Denn der fast 70-jährige Ehrendirigent auf Lebenszeit des Chicago Symphony Orchestra und Chefdirigent auf Lebenszeit der Staatskapelle Berlin ist seit 2011 auch Musikalischer Leiter der Mailänder Scala. Zu den Aufgaben seines Assistenten wird es gehören, mit dem Orchester die Proben vorzubereiten für die Auftritte des Maestro. Märtig: „Dafür muss ich noch Italienisch lernen.“