Essen. Vor knapp drei Jahren hatte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck noch verkündet, Homosexualität sei “Sünde“. Nach dem Aufschrei von Schwulen und Lesben begenen sich beide Parteien inzwischen auf Augenhöhe. Der Dialog verläuft zwar nun in geordneten Bahnen - aber auch ohne nennenswerte Ergebnisse.
Ein Hauch von Revolution wehte dieser Tage durch die Kirchenwelt, manche Gewissheit ist seit dem Papst-Rücktritt dahin. Wenig revolutionär, um nicht zu sagen: beschaulich, ging es derweil bei einem erneuten Treffen von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und örtlichen Vertretern der Interessen Homosexueller zu. Das mag erstaunen angesichts des Ursprungs, den diese Zusammenkünfte haben. Vor knapp drei Jahren gingen Schwule und Lesben auf die Barrikaden, nachdem Overbeck in der Talkshow von Anne Will bekundet hatte, Homosexualität sei „Sünde“.
An dieser Haltung hat sich wenig geändert, Overbeck korrigierte sie später insofern, als er nicht die Homosexualität als solche, sondern das Ausleben derselben gemeint habe. Doch während die Mitglieder des Forums Essener Lesben und Schwule (Fels) dem Bischof damals noch ihre Meinung per Protest-Thesen an die Tür nagelten, ist in die Auseinandersetzung Ruhe eingekehrt. Schon dass Overbeck sich nach anfänglichem Zögern überhaupt auf den Dialog einließ und weiter daran teilnimmt, sehen die Aktivisten als Gewinn.
Gesprächsbereitschaft musste eingefordert werden
„Wir mussten die Gesprächsbereitschaft erst einfordern, inzwischen unterhalten wir uns auf Augenhöhe“, sagt Markus Willeke von der Aidshilfe Essen, der bei dem jüngsten Treffen dabei war. Nach dem ersten, seinerzeit erzwungenen Austausch kommt man übrigens bewusst nicht mehr im Bischofshaus zusammen, statt dessen trafen sich die Vertreter beider Seiten in der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim und damit auf – zumindest ein Stück weit – neutralerem Terrain.
Von einem „lebendigen und anspruchsvollen Meinungsaustausch“ sprach nach dem zweieinhalbstündigen Gespräch das Bistum, und auch Willeke sagt, es habe ihn „beeindruckt, welche Offenheit Bischof Overbeck an den Tag gelegt hat“. Mit dem Psychoanalytiker Elmar Struck und dem Psychotherapeuten Stefan Nagel referierten zwei Fachleute zum Thema Beziehungen und deren heutiger Wirklichkeit.
Um konkrete Fragestellungen sei es dagegen weniger gegangen, sagt Willeke. Dabei gäbe es durchaus praktische Anliegen, die die örtlichen Homosexuellen beschäftigen. Als beim „Christopher Street Day“ vergangenes Jahr in der Innenstadt zum ersten Mal ein Gottesdienst gefeiert wurde, ließ sich dafür kein katholischer Pfarrer finden, letztlich übernahm die Aufgabe ein Vertreter der liberaleren altkatholischen Kirche. Ob sich das dieses Jahr ändern könnte – wer weiß.
Die Anliegen deutlich machen
Empfinden es Menschen wie Willeke bei aller Offenheit des Gesprächspartners nicht als frustrierend, dass die Grundhaltungen aller Wahrscheinlichkeit nach stets die selben bleiben werden? Wozu Dialog, wenn Kompromisse quasi ausgeschlossen sind, wenn der Bischof Einwände lediglich „würdigend zur Kenntnis nimmt“? Schön, dass wir darüber geredet haben – reicht das als Ergebnis? Willeke mag sich die Zuversicht nicht nehmen lassen.
„Wir glauben, wenn wir unsere Anliegen deutlich machen, wird es zu einem Prozess kommen, den zum Beispiel die homosexuellen Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen spüren.“ Freilich: „Wir wären Illusionisten, wenn wir glauben würden, wir könnten die katholische Kirche verändern.“ Auch unter einem neuen Papst „wird Rom Homosexuelle nicht plötzlich toll finden“.
Weiterreden wollen Willeke und seine Mitstreiter dennoch – ein Termin für das nächste Treffen mit Overbeck werde schon gesucht.