Der Essener Künstler Ralf Koenemann malt nicht nur mit Öl, sondern auch mit Lack, Terpentin und Teer. So finden Dickhäuter auf die Leinwand und Gorillas in die Galerie Klose. Bei Schütte sieht man Fotos von Laura Ribero.
Gut möglich, dass der ein oder andere Betrachter Ralf Koenemanns Malerei erst einmal aus sicherer Entfernung auf sich wirken lässt. Ein bisschen Distanz zu den bulligen Nashörnern, den mächtigen Elefanten und grimmigen Gorillas kann auch gar nicht schaden, denn Koenemanns raumgreifende Malerei hat solch eine archaische Wucht und imposante Größe, dass man dieser enormen Schaffenskraft mit einem gewissen Respekt gegenüber tritt.
Doch spätestens auf den zweiten Blick wird der Entdeckergeist auch beim Zuschauer wach, kann sich das Auge dem Magnet-Blick des Menschenaffen kaum mehr entziehen. Und die Hand will am liebsten über die schrundigen Farbflächen fahren, diese dicken, sich wild krustenden, brüchigen und expressiven Materialhäute, die sich bisweilen wie Farbgeschwülste auf die Oberfläche der Dickhäuter legen.
Mit Bootslack und Betonfarbe
Das Tier als Ursprung der Menschheitsgeschichte beschäftigt Ralf Koenemann seit vielen Jahren. Doch immer wieder befragt er das Thema von Existenz und kollektiver Erinnerung mit neuen malerischen Mitteln. Schüttet Pigmente und Asche aufs Bild und guckt, wie es reagiert. Experimentiert mit Teer und Dichtungsmaterial, mit Bootslack und Betonfarbe und was die Arbeit sonst noch aufregend anders macht. Selbst vor der Hitze des Gasbrenners bleibt die Kunst nicht verschont.
Er schüttet und schmirgelt, kleckst und klotzt, bis sich das Material wie zähflüssige Lava über die Leinwand schiebt: erhaben, schön - und unberechenbar. Malerei als kontrollierter Willkürakt und irgendwie auch als Akt des Bändigens.
Die dynamische Auseinandersetzung mit dem Material findet seit einiger Zeit immer häufiger auf dem Boden statt. In der Draufsicht scheint der Essener Maler noch einmal neuen Abstand zu finden, jetzt blitzen nicht nur die einzelnen Farbschichten durch, sondern am Rande auch der blanke, weiße Malgrund. Erweiterter Denk- und Freiraum einer Kunst, deren Thema weniger das Tier ist als die Natur, weniger die Anschauung als die verdichtete Erfahrung, die sich aus unterschiedlichen Quellen speist und erst im Bild zusammenzufinden scheint.
Laura Ribero – Prinzessin auf der Schutthalde
Zwei außergewöhnliche Fotokünstler, Jeff Wall und Cindy Sherman, haben Laura Ribero vor Jahren zum Studium der Fotografie gebracht. Die kühle, klare Kunst der Becher-Schüler hat sie schließlich auch nach Essen geführt. Wie die gebürtige Kolumbianerin all diese unterschiedlichen Fotosprachen zu einer ganz eigenen Ausdrucksform zusammengeführt hat, kann man nun in der Galerie Schütte sehen. „Transitory Places“ heißt das Thema ihrer Ausstellung, für das die Fotografin die verlassenen, heruntergekommenen Räume zweier historischer Kinos in Wien zur filmischen Kulisse gemacht hat.
Ihr szenisches Ich ist immer wieder eine Andere, eine Fremde. Mal Hausmädchen wie in ihrer früheren Serie „electro-doméstica“, mal Prinzessin auf der Schutthalde wie in „Transitory Places“. Wie ein gewaltiger Speicherraum für Gelebtes und Erzähltes funktioniert dieser leere Saal als Bühne, in dem Ribero die Wirklichkeit neu arrangiert, inszeniert, hinterfragt. Hier agiert Ribero vor der eigenen Kamera wie eine Spielerin ohne Zuschauer. Eigentlich ist sie vor allem ein tüllrotes Irritationsmoment, das nicht nur das Spiel mit den Wahrnehmungsebenen, sondern auch die Spiegelung des eigenen Ichs doppelbödig beherrscht.