Essen.. Oliver Imhof war 2009 Praktikant im Abgeordnetenbüro von Petra Hinz. Er ist der dritte, der mit Klarnamen Zustände beschreibt, die Hinz abstreitet.
Bei einem Praktikum im Bundestag vor sieben Jahren habe ich einen Einblick in die Politik erhalten – und gesehen, dass die Vorwürfe gegen Petra Hinz wahr sind.
Mein erster Eindruck von Frau Hinz war eigentlich sehr gut, als ich sie im Sommer 2009 zur Vertragsunterschrift für mein Praktikum im Essener Rathaus kennenlernte. Sie wirkte bestimmt, aber freundlich und bot mir netterweise ein recht gutes Salär für den Monat in Berlin an. Als ich jedoch am 1. September im Paul-Löbe-Hause anfing, zeigte sie gleich ihr anderes Gesicht. Ich war gerade im Büro eingetroffen und hatte mich den Kollegen vorgestellt, da rief sie auch schon aus Essen an, um mich „zur Sau zu machen“ wie es im Bürojargon für ihre Wutanfälle hieß. Meine Verfehlung? Ich hatte sie in einer Email vorab gefragt, ob ich für einen Monat wirklich die geforderte Rentenversicherungsnummer bräuchte, da ich zu dem Zeitpunkt noch keine besaß. Dies führte dazu, dass sie mich minutenlang anschrie und gleich klarstellte: „Wenn ich es sage, machen Sie das auch!“
Nach diesem Einstand machte ich mich an die Arbeit, die größtenteils aus praktikumstypischen Aufgaben bestand. Kopieren, Post holen, Zusammenfassungen von Wahlprogrammen erstellen, die anscheinend sowieso keiner las.
Der Mangel an sinnvoller Beschäftigung hielt Frau Hinz nicht davon ab, penibel auf meine Arbeitszeiten zu achten. Vorab hatte sie schon versichert, dass ich „nicht in Berlin sei, um über den Ku’damm zu schlendern“. In der Praxis hieß das, dass ich nicht, wie bei Praktika üblich, früher gehen konnte, wenn nichts zu tun ist, sondern sogar länger da war als vertraglich vereinbart.
Von der netten Volksvertreterin zur wilden Furie
Trotzdem traf mich bei jeder kleinsten Verfehlung der Zorn der Chefin. Wenn ich „pünktlich wie die Maurer“ – also ganz normal um 17 Uhr – nach Hause ging, reichte das schon für sie, um von der netten Volksvertreterin zur wilden Furie zu werden und mich als „unsolidarisch“ zu bezeichnen.
Dabei konnte ich schlecht solidarisch sein, wenn mir niemand im Büro etwas zu tun gab. Dieses war mit vier bis fünf Mitarbeitern recht gut besetzt im Vergleich zum CSU-Abgeordneten gegenüber, der nur eine Sekretärin zu haben schien und nachmittags gemütlich seine Wäsche am Fenster trocknete.
Von Faulheit, wie sie Politikern gerne mal vorgeworfen wird, war dort also keine Spur. Alle arbeiteten wie im Akkord und machten nur selten Pause. Die auffällig jungen Mitarbeiter schienen von Frau Hinz genauso eingeschüchtert wie ich zu sein, da ich schließlich nicht der einzige war, den ihre Ausbrüche trafen. Nur eine Mitarbeiterin Mitte 30 traute sich häufiger mal Widerworte zu geben, was sie im Büro auch eher isolierte. Ihr Vertrag wurde meines Wissens nach als einziger nicht verlängert, als Frau Hinz wieder in den Bundestag gewählt wurde.
Zwei Jahre auf Praktikumszeugnis gewartet
Das strenge Regime schien also zu wirken. Jeder Anruf musste protokolliert werden, alle anderen schienen noch länger als ich zu arbeiten und an ihrem Schreibtisch justierte sie ihren Spiegel so, dass sie bloß jeden sehen konnte.
Für mich war der Flug über das Kuckucksnest zum Glück nach einem Monat vorbei und ich setzte enttäuscht mein Studium fort. Mit damals 20 Jahren fand ich es nicht nur furchtbar, wie Frau Hinz, die ja einer angeblich solidarischen Partei angehörte, mit mir als jungem Menschen umsprang. Ich war auch später noch bei anderen Stellen teils übervorsichtig, weil ich Angst hatte, von meinen Vorgesetzten ähnliche Reaktionen zu erfahren.
Bis ich dann mein Praktikumszeugnis von ihr erhalten hatte, dauerte es sage und schreibe zwei Jahre. Die kürzlich erschienenen Vorwürfe gegen sie kamen dann nur wenig überraschend und waren für mich auch ein bisschen Genugtuung, dass ich vielleicht doch keinen so schlechten Job gemacht hatte.
Petra Hinz mag zwar als Politikerin sehr engagiert sein, menschlich aber hat sie mir eine sehr hässliche Fratze gezeigt.
Oliver Imhof (27) ist freier Journalist und lebt heute in London. Er schreibt hauptsächlich über politische Themen für englische und deutsche Magazine.