Essen.. Das Grugabad begeht in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag und ist reif für eine Generalsanierung. Der Renovierungsstau wird mit 13 Millionen Euro beziffert. Mal ist diese Mega-Badeanstalt eine Oase mitten in der Stadt, manchmal ein Monstrum. Unsere Empfehlung: Einfach mal ausprobieren, es lohnt sich.
Sommerzeit ist Ferienzeit ist Badezeit. Die Stadt Essen hält fünf Freibäder vor, die wir einem Check unterziehen. Das Grugabad, Nummer eins in Essen und eines der zwanzig Größten in Deutschland , setzt den Schlusspunkt.
Der erste Eindruck
„Nee, Grugabad, da gehe ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr hin.“ Diesen giftigen Satz einer Bekannten im Ohr mache ich mich am Freitagmorgen um 9.45 Uhr auf. Und bin angenehm überrascht. Im Schwimmer ziehen die letzten Frühschwimmer ihre Bahnen, die ersten Familien treffen ein, um den zumindest bis fünf Uhr schönen Tag auszunutzen. Denn heute wird das Thermometer auf 26 Grad klettern. Wagemutige Kinder stürzen sich gekonnt vom Sprungturm, eine Bikini-Schönheit liest Zeitung, auch Studenten kommen gerne um diese Zeit. Das Bad ist friedlich und sogar das: eine Oase der Erholung mitten in der Großstadt. Erika Pröpper (62) hat ihren Mann Henry hier vor 46 Jahren kennengelernt. Jetzt ist sie zum ersten Mal wieder hier und staunt: „Kein Unterschied zu früher, ich habe mich sofort wohlgefühlt.“ Nun ja, leider hat das Bad zwei Gesichter. An heißen Tagen zeigt es sich von seiner monströsen Seite (siehe „Die Aufpasser“).
Das Personal
Georg Schwiderski (49), Essener Junge, seit 1992 im Grugabad und seit 2002 Betriebsleiter, führt ein Team von 26 Mitarbeitern, davon 18 Saisonkräfte. Ein Team, das alles erledigt: von der Kasse über Beckenaufsicht bis hin zum Rasenschneiden. Und von den Gästen durchweg gut benotet wird. Von allen Freibadmitarbeitern in Essen haben die Grugabad-Leute den mit Abstand stressigsten. So mancher Kollege in den anderen Bädern gesteht hinter vorgehaltener Hand: „Gut, dass ich nicht im Grugabad arbeiten muss.“
Umkleide, Dusche & Klo
So wie das ganze Bad. Riesig. Die Umkleiden haben 500 Schränke. Warmwasserduschen. Drei Toilettenanlagen, die gut verteilt sind (Eingangsbereich, Tribüne und Eltern-Kind) und die Wege kurz machen. Wickelraum. Behindertentoilette. Gäste finden den Sanitärtrakt „sauber“. Etliche schwimmen hier nur und duschen lieber zuhause.
Das Wasser
Mega. Eine Trumpfkarte, die sticht. „Die Auswahl an Becken ist klasse“, findet Jana Linkweiler, eine gebürtige Ostberlinerin, die jetzt in Rüttenscheid lebt, und heute mit ihren Kindern Till (10), einem tollkühnen Turmspringer, und Esther (11) gekommen ist. Neben dem Sportbecken (25 mal 50 Meter; 10 Wettkampfbahnen; 25 Grad) gibt’s die „Welle“ (22 mal 68 Meter; 25,6 Grad), das Nichtschwimmerbecken (25 mal 80 Meter) mit Kult-Rutsche, den Zehn-Meter-Turm (20 mal 20 Meter) und ein kreisrundes Planschbecken mit Strand zum Matschen. Schade, dass das Nichtschwimmerbecken unbeheizt (nur 22,8 Grad) ist. Positiv: für ganz schnelle Sportschwimmer haben sie drei „Fast Lanes“ reserviert.
Die Aufpasser
Trauriges Alleinstellungsmerkmal: Das Grugabad zählt zu den ersten in Deutschland, das einen privaten Sicherheitsdienst anheuern musste. Mittlerweile gehören die schwarzen Sheriffs von „Issa Security“ zum Bad wie die Rettungsschwimmer. Gewalt, hauptsächlich hervorgerufen durch südländische Zuwanderer, hat sich zu einem kolossalen Problem entwickelt. Häufigste Delikte: Vandalismus, Diebstahl, Körperverletzung, Belästigung von weiblichen Badegästen und Attacken aufs Badpersonal. „Wenn’s hier voll wird, bin ich weg“, sagt die junge Lehrerin und Wasserballerin, die hier täglich 2000 Meter in 40 Minuten abreißt. „Um 14 Uhr kommen vier Security-Leute“, sagt Badleiter Schwiderski und fügt hinzu: „Es ist traurig, dass wir in Bädern Sicherheitsdienste einsetzen. Bilanz der „Null-Toleranz“-Strategie in diesem Jahr: 30 Hausverbote. Dramatisch der Vorfall 2013, als ein Issa-Mann draußen schwer verletzt wurde.
Rund ums Becken
Größte Freibad-Liegewiese der Stadt (25 000 qm); 1500 qm Kinderspielbereich mit Klettergeräten. (2015 soll das Sonnensegel kommen). Zwei Beachvolleyballfelder; Bolzwiese mit zwei Toren; nett: die vielen Strohschirme; kommen sehr gut an: die Holzliegedecks aus Bangkirai (2015 gibt’s mehr). Grillecke? „Wäre unmöglich“, heißt es.
Leib & Seele
Emil Stinshoff (35), seit zehn Jahren Pächter, bietet eine umfangreiche Freibad-Gastronomie von Bockwurst, „CPM“, Schnitzel bis hin zu Türkischer Pizza, Döner und Geflügel. 20 Eissorten, Süßes, Getränke sowie Badshop (Luftmatratzen, Tauchermaske etc.).
Fassungsvermögen
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Mit 12 000 Gästen in das Bad voll. Rekordbesuche mit mehr als 20 000 liegen schon Jahrzehnte zurück. Die Besucherzahlen – 2011: 76 500; 2012: 118 900, 2013: 126 700; 2014 (Stand 7. August): 66 300.
Ausblick
1964 eine Sensation (allein schon wegen der „Welle“ und dem coolen Sprungturm) ist das Grugabad jetzt ein Klotz am Bein. Und reif für eine Generalsanierung – geschätzte Kosten: 13 Millionen Euro. Sanierungsreif, heißt es, seien alle Gewerke – von der Beckenfliese über die Badtechnik hinter den Kulissen bis hin zu den Badeplatten.
Fazit
Pluspunkte: Dem schlechten Ruf zum Trotz: Ein Besuch im Grugabad lohnt sich immer noch. Erst recht, wenn’s nicht zu voll ist. Ideal für Frühschwimmer. Zentrale Lage. Klassiker: „Welle“ und Turm.
Minuspunkte: Gewalt im Bad – leider geht’s nicht mehr ohne Security. Tausende Besucher sind gut für die Stadtkasse, aber Erholung geht anders.Der riesige Investitionsstau. Facebook-Seite fehlt.
Alle Folgen des Freibad-Checks finden Sie hier.