Essen.
Als die „Lernbar“ vor mehr als fünf Jahren eröffnete, galt sie als Notlösung. Die Volkshochschule fand keinen Pächter für den Servicebetrieb im Erdgeschoss ihres Neubaus am Burgplatz, da sich dort kein Gastronom eine geschäftliche Zukunft vorstellen konnte. Schließlich schlug die Jugendhilfe Essen vor, ein neues Konzept in Form eines Ausbildungsrestaurants umzusetzen. Mit Erfolg: Seither absolvierten rund 50 Jugendliche die IHK-Prüfungen, auf welche sie in der Lernbar praktisch vorbereitet wurden. Und den Gästen schmeckt’s.
Jugendliche, die wegen Drogenproblemen oder eines fehlenden Schulabschlusses von einem guten Lebensweg abgekommen sind, erhalten in der Lernbar eine zweite Chance. Oder Frauen wie Bianca Borchardt: „Ich habe ein kleines Kind. Die Jugendhilfe gibt mir die Möglichkeit, zu bestimmten Zeiten zu arbeiten, so dass ich genug Zeit für mein Kind habe.“ Das wäre in einem normalen Gastronomiebetrieb nicht möglich.
Traumberuf Koch
„Meinen Hauptschulabschluss habe ich mit der Jugendhilfe nachgemacht. Jetzt mache ich eine Ausbildung zu meinem Traumberuf Koch“, sagt Denis Schmahl (25) und portioniert das Seelachsfilet in Bärlauchmarinade. Für die Auszubildenden ist das Restaurant ein praktischer Lernort, der alle Facetten einer gastronomischen Ausbildung enthält. Bevor sie ihre Fähigkeiten in der Küche und im Service unter Beweis stellen, werden sie in einer Großküche vorbereitet.
Die moderne Einrichtung und der Blick auf den Burgplatz locken nicht nur Lehrer und Teilnehmer der Volkshochschule in die Lernbar. Sie ist auch ein Treffpunkt. „Nach unserem Yoga-Kurs nutzen wir die Zeit, um uns bei einem Plausch weiter zu entspannen. Bei der freundlichen Bedienung und der tollen Atmosphäre fällt uns das nicht schwer.“, sagen Stefanie Dahmann und Elke Leydel. Auch Jutta Hilker (79), die einen Kurs für Französische Literatur besucht, ist mit dem Angebot sehr zufrieden. „Die Pause lässt sich hier perfekt verbringen“, sagt sie. Das täglich wechselnde Mittagsangebot zu Preisen zwischen 4,50 und 6,50 Euro ist ein weiteres Argument für die Lernbar.
Sozialpsychologen und Fachlehrer begleiten Ausbildung
„Wir haben ein abwechslungsreiches und stets zufriedenes Publikum“, sagt Martina Loeven (44), Restaurantleiterin und Ausbilderin. „Ich bin froh, dass viele Gäste zu schätzen wissen, was wir hier tun. Der gut laufende Restaurantbetrieb ist toll, aber noch besser ist, dass Jugendliche eine neue Perspektive erhalten und eine zweite Chance.“
Die Ausbildung im Gastronomiebereich wird begleitet von Sozialpsychologen und Fachlehrern, die die Lernenden in allen möglichen Situation und bei Problemen unterstützen. Es wird zudem ein Stützunterricht angeboten, der die Auszubildenden für die Berufsschule fit macht. Die Zusammenarbeit von Schülern und Ausbildern ist streng, aber freundschaftlich.
„Die Lernbar hat sich besser entwickelt, als wir beim Start gedacht haben“, sagt Thomas Viernich, Abteilungsleiter der Jugendberufshilfe. „Das Lokal ist und bleibt ein Zuschussgeschäft, aber wir sehen das als eine gute Investition in die berufliche Zukunft unserer jungen Auszubildenden.“