Essen.. Ex-Parteichef Dieter ten Eikelder befragte Petra Hinz 1989 nach Hinweisen aus Juso-Kreisen zu ihrem angeblichen Studium. Und erntete, so sagt er, von ihr und Otto Reschke ein empörtes Dementi. Davon will Reschke heute nichts wissen.

Alle wussten ein bisschen was, aber unglücklicherweise hat keiner mal so richtig nachgefragt – das war bislang die allerorten in der SPD verbreitete Version, wie Essens Genossen mit den Gerüchten über eine Lebens(lauf)-Lüge ihrer Bundestagsabgeordneten Petra Hinz umgingen. Jetzt aber stellt sich heraus: Die Sache wurde sehr wohl offiziell zum Thema – und das sogar schon vor 27 Jahren.

An der Parteispitze stand damals Dieter ten Eikelder, ein besonnener, unaufgeregter Diplom-Kaufmann, der als Kompromiss-Kandidat die regelrecht verfeindeten SPD-Lager wieder halbwegs zusammenführen sollte, und dem aus Juso-Kreisen kurz vor der Kommunalwahl im Herbst 1989 der Hinweis zugesteckt wurde, Ratskandidatin Petra Hinz aus den eigenen Reihen gebe sich als Studentin aus, sei aber gar keine.

Die Frohnhauserin auf die Ratsbewerber-Liste zu hieven, „das war“, so erinnert sich ten Eikelder heute, „sicher keine hochtrabende personalpolitische Entscheidung“, nicht bei mehr als 40 zu erwartenden Ratsmitgliedern. Aber es war für ihn doch Grund genug, das Gespräch zu suchen – mit Petra Hinz selbst und, so erinnert sich ten Eikelder, auch mit Otto Reschke, als Bundestagsabgeordneter damals schon Hinz’ politischer Fürsprecher und Förderer.

Beide hätten jegliche Schwindelei rundheraus dementiert: „Es hieß, das ist eine bösartige Intrige, eine der üblichen Diffamierungen der anderen Seite.“ Auf die Idee, schriftliche Beweise einzufordern, etwa den Nachweis, dass Hinz sich bei der Uni eingeschrieben hatte, kam ten Eikelder nach eigenem Bekunden nicht: „Wo hätte das enden sollen? Darin, dass ich auch bei allen anderen Kandidaten die Angaben überprüfe?“

Er ging dem Gerücht über Petra Hinz nach – und handelte sich Dementis ein: der damalige SPD-Parteichef Dieter ten Eikelder (hier 1992).
Er ging dem Gerücht über Petra Hinz nach – und handelte sich Dementis ein: der damalige SPD-Parteichef Dieter ten Eikelder (hier 1992). © NRZ | NRZ

Nein, ihm hätte beider Wort gereicht, und außerdem: „Ich hatte kein Interesse daran, wieder einen großen Krach anzufangen. Ich hatte in der Partei andere Probleme, es gab Wichtigeres als ein womöglich erfundenes Studium.“

Hinz zog in den Stadtrat ein, das Gerücht über ihre Schummelei versandete, und Dieter ten Eikelder zog sich 1998 nicht nur als Vorsitzender der Essener SPD, sondern gänzlich aus der Politik zurück. „Zahlendes Mitglied“ nennt er sich heute noch – und erinnert sich im Übrigen daran, wie er 2005, als die Frohnhauserin als „Juristin“ für den Bundestag kandidierte, bei sich dachte: „Guck an, da war das damals doch eine Ente.“

„Mit mir hat er nicht gesprochen“

Und während ten Eikelder darüber sinniert, was jemanden wohl dazu bewegen könnte, eine Juristen-Karriere zu erfinden, wo er sich doch „nicht erinnern kann, dass bei der Essener SPD jemals jemand nominiert worden wäre, weil er eine tolle Rolle im Berufsleben spielte“, geht Otto Reschke auf die Barrikaden: Ein Gespräch mit Dieter ten Eikelder zu der Frage, ob Petra Hinz bei ihrem Lebenslauf gelogen habe? „Ist mir nicht erinnerlich“, sagt der 74-jährige ehemalige Bundestagsabgeordnete, nein, deutlicher: „Mit mir hat er nicht gesprochen, tut mir leid.“

Als die Lebens(lauf)-Lüge seiner Frohnhauser Genossin, „die er immer gepusht hat“ (O-Ton ten Eikelder) in der vergangenen Woche hochkochte, hatte Reschke beteuert, er sei „genauso überrascht wie alle anderen“. Das würde nicht passen zu dem Umstand, schon vor 27 Jahren gezielt darauf angesprochen worden zu sein. Und seine politische Schutzbefohlene entschieden verteidigt zu haben.

Reschke dreht den Spieß denn auch um, fragt, wie belastbar denn ten Eikelders Erinnerungen seien. Und zieht sogar dessen aufklärerischen Einsatz in Zweifel: Bei einer so wichtigen Sache befasse man doch auch den Parteivorstand damit, „da macht man sich doch einen Vermerk, eine Protokollnotiz, die möchte ich von Herrn ten Eikelder gerne mal sehen“.

Für Reschke liegt nach all den Jahren auf der Hand, „dass Wahrheit und Legendenbildung sehr nah beieinander liegen“. Wenn er jedenfalls von einem wie auch immer gearteten Lügengebilde in Hinz’ Lebenslauf gewusst hätte, wäre seine Reaktion unmissverständlich gewesen: „Das geht nicht. Was ist da los? Leg das auf den Tisch.“