Essen. Eines der ältesten Hochhäuser Essens ist am Dienstagmorgen versteigert worden. Für 8,2 Millionen Euro wechselte das Iduna-Haus den Besitzer.

Amtsgericht Essen, Saal 293, Dienstag 9 Uhr. Ein Haus kommt unter den Hammer. In diesem Fall eines der ältesten Hochhäuser der Stadt: das markante Iduna-Haus am Limbecker Platz – einst Inbegriff moderner, amerikanisch inspirierter Baukunst und jetzt: ein Problemhaus.  Exakt 53 Minuten später erteilt Rechtspflegerin Gudula Schenk, eine ebenso charmante wie resolute Frau, – „zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“  – den Zuschlag. Für exakt 8,2 Millionen Euro hat die in Branchenkreisen völlig unbekannte „Fema Bauanalytik UG“ aus Essen den gesamten Komplex ersteigert – und ihn renommierten Mitbewerbern wie Lokalmatador Kölbl Kruse und der Schweizer „Rigi Property“ weggeschnappt.

Das Höchstgebot liegt deutlich über dem Verkehrswert von 2,465 Millionen Euro. Kein Wunder, dass am Ende ein wohliges Lächeln über das Gesicht von Sparkassen-Manager Michael Kumm huscht. Das Kreditinstitut ist Gläubigerin, und er sagt:  „Wir freuen uns über das Ergebnis, erwartet hatten wir 3 bis 3,5 Millionen Euro.“

Packende Pokerpartie

Die Versteigerung selbst entwickelt sich zu einer packenden Pokerpartie. Im schmucklosen Saal 293 mit den weiß getünchten Wänden sind  nur wenige Stühle freigeblieben. Fernando Manuel Marques de Figueiredo von Fema Bauanalytik sitzt mit einem Partner vorne, die vier Männer  der Kölbl Kruse-Firma „KK 17“ nehmen eine komplette Sitzreihe in der Mitte ein, der Schweizer wird  aus der letzten Reihe mitzocken.

Zuerst müssen die üblichen Formalitäten geklärt werden. Es geht  um Flurstücke und Gemarkungen,  um Grundbucheinträge und Transformationsrechte, um ausstehende Grundbesitzabgaben und Vorkaufsrechte. Versteigerungsroutine eben. Um 9.13 Uhr sagt Gudula Schenk: „Ich fordere zur Abgabe von Geboten auf.“ Daraufhin treten die verschiedenen Parteien vor, geben Personalausweise ab, blättern gedeckte Schecks hin und beglaubigte Handelsregister-Auszüge. Der Dresscode lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass es hier um ein Millionen-Geschäft geht: einer trägt ein knitteriges Sakko, andere treten leger in Jeans und Cord, in Sneakers und Steppjacke auf – als müssten sie  gleich auf den Golfplatz.

Asbest- und PCB-verseuchter Komplex

Um 9.30 Uhr geht’s endlich richtig los. Das Mindestgebot liegt bei 1,9 Millionen und Gudula Schenk fragt lächelnd: „Wer bietet mehr?“.  Leises Gemurmel und das Ticken der Uhr unterbrechen die Stille.  Dann wieder Schweigen. Um 9.34 erhöhen die Fema-Leute um 50 000, worauf die Kölbl-Kruse-Reihe „zwei Millionen“ ruft. Schallendes Gelächter ernten die Fema-Männer, als sie nur tausend Euro drauflegen. „Das fangen wir erst gar nicht an“, mahnt Frau Schenk. Jetzt machen sie 50 000er-, dann sogar 100 000er-Sprünge. Um 9.43 Uhr liegt das Gebot bei 3,7 Millionen, aber um 9.47 Uhr bei 5,1 Millionen steigen die Lokalmatadoren von Kölbl Kruse aus – ein Indiz dafür, dass sie den Asbest- und PCB-verseuchten Komplex abreißen und durch einen Neubau ersetzen wollten. Dafür bieten jetzt plötzlich und sehr sportlich die Schweizer von Rigi Property mit. Mal erhöhen sie um 200 000, dann um 300 000 Euro. Doch bei 8,2 Millionen geht auch ihnen die Puste aus.

„Gewinner“ Fernando Manuel Marques de Figueiredo, kündigt  an, dass das von Baumeister Friedrich Wilhelm Kraemer geschaffene Iduna-Haus mit der typischen „Vorhang-Fassade“ in seiner Struktur bestehen bleibe. Beim Investor aus Spanien handele es sich um „einen Maschinen-Hersteller, der im Ruhrgebiet ein zweites Standbein schaffen“ wolle.

„Will hier jemand aus der Flüchtlingswelle Profit schlagen?“

Die im Frühjahr 2014 gegründete Fema Bauanalytik gilt in der Immobilienbranche als unbeschriebenes Blatt. Als eher bedenklich ist die Auskunft der „Creditreform“ einzustufen. „Von Krediten wird abgeraten, eine Geschäftsverbindung gilt als riskant“, heißt es dort. Die Fema Bauananalytik UG –  Stammkapital  nur  1000 Euro –  kümmert sich um Bauschäden, übernimmt Bauleitung und Energieberatung. Als Firmensitz wird die Friederikenstraße in Rüttenscheid angegeben, doch an der Klingel fehlt ein Hinweis. Dafür gibt’s einen Briefkasten.

Branchenkennern in Essen gibt der überraschende Ausgang der Zwangsversteigerung große Rätsel auf. Unweigerlich schießen Spekulationen ins Kraut. Ein Insider fragt: „Will hier jemand aus der Flüchtlingswelle Profit schlagen und Büros in Wohnungen umwandeln?“