Essen.. Die „MS Kettwig“ der Weißen Flotte Baldeney liegt im Trockendock, denn der Kontrolleur der Schiffsunter-suchungskommission hat sich angekündigt. Bis dahin wird das fast 40 Jahre alte Schiff in Schuss gebracht.

„Que sera, sera... whatever will be, will be...“, hallt es leise von einer Wiese am Hardenbergufer 379. Dort ist Marco Schwedt mit ei­nem Borstenpinsel und einem Eimer Farbe zugange – und das wenige Zentimeter un­ter der MS Kettwig, dem mit 5,20 Metern Breite und 27,80 Metern Länge mittelgroßen Schiff der Weißen Flotte Baldeney. Zuvor hat er die MS Kettwig mit einer Seilwinde auf die Helling gehoben, die mit zum Hafen der Weißen Flotte gehört.

„Das dauert gerade mal 15 Minuten, nicht länger“, sagt der Allrounder, der immer im Winter Pinsel, Hammer und Stichsäge schwingt und im Sommer seinen Dienst als Schiffsführer auf dem Baldeneysee, der Ruhr und dem Rhein-Herne-Kanal versieht. Trotz der gerade mal vier Grad Celsius ist Schwedt gut gelaunt, „nur das mit den Muscheln un­term Bug ist richtig lästig.“ Denn die haben sich ganz schön festgesetzt und müssen erst einmal mit dem Druckstrahler entfernt werden, bis es mit den notwendigen Arbeiten am in die Jahre gekommenen Schiff weiter gehen kann. „Bis März müssen wir spätestens fertig sein, denn dann kommt der Kontrolleur“, weiß Schwedt.

Der Tüv für Schiffe

 Schiffsführer Udo Gödje schraubt mit ganzem Körpereinsatz am Antrieb.
Schiffsführer Udo Gödje schraubt mit ganzem Körpereinsatz am Antrieb. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Gemeint ist der lange angekündigte Besuch der Schiffsuntersuchungskommission (SUK) vom Schiffseichamt. „Das ist eine Art Tüv für Schiffe. Alle fünf Jahre nehmen sie Fahrgast- und Tankschiffe un­ter die Lupe. Frachter müssen alle zehn Jahre zur Kontrolle“, erklärt Udo Gödje, ebenso Schiffsführer (und Alleskönner) bei der Flotte. Im Frühling sind die MS Kettwig und die MS Stadt Essen an der Reihe, im Herbst die MS Heisingen und die MS Baldeney. „Wir haben reichlich zu tun, aber wir schaffen das rechtzeitig“, sind sich Schwedt und Gödje einig. Die Muscheln müssen run­ter und der alte Lack. Dann wird neu geteert – mit Teeranstrich un­ter dem Schiff. „Wenn es kälter wird, müssen wir eine Pause einlegen, denn dann hält die Farbe nicht. Lackierkabinen haben wir schließlich nicht. Wir machen alle Arbeiten selbst – unter freiem Himmel“, so Gödje.

Mühsame Suche nach Mängel

Wie lange sie insgesamt benötigen, bis alles wieder tipptopp ist? „Das kann ich nicht genau beziffern, denn es kommt ganz darauf an, ob wir noch Mängel finden“, sagt der Schiffsführer. Wie jenes am Heck. „Die Schraube hat ‘ne Macke. Sie ist leicht eingerissen und muss ausgetauscht werden“, ärgert sich Gödje. Glücklicherweise findet er noch eine Ersatzschraube im Lager. Das Öl im Antriebsstrang tausche er gleich mit aus, „bevor wir auf einmal auf dem See ein Leck haben. Dann etwas zu reparieren, ist wesentlich aufwendiger.“ Sind alle Arbeiten abgeschlossen, bringt die SUK alle vier bis fünf Meter Schleifpunkte am Rumpf an. „Mit Ultraschall wird die Stahlstärke gemessen. Ist sie korrosionsbedingt zu gering, müssen wir nachbessern und neue Platten anbringen“, sagt Gödje. Besser als ein Loch im Rumpf sei das alle Male. Nur sehr mühsam.

Schiffsführer Marco Schwedt trägt die Vorstreichfarbe auf.
Schiffsführer Marco Schwedt trägt die Vorstreichfarbe auf. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Ihren Winterdienst machen Gödje und Schwedt dennoch sehr gerne. „Es macht mir auch nach 15 Jahren noch immer riesig Spaß. Die Kombination des wunderbaren Jobs mit Fahrgästen im Sommer und der körperlichen Arbeit im Winter bringen Abwechslung mit sich“, so Schwedt. Er freut sich auf den Saisonstart am 27. April. Und ebenso auf die Vorsaison. Ist es wieder weit, versucht der 51-Jährige so oft wie möglich die Brücke mit dem Salon zu tauschen – um dort zu kassieren und mit jungen wie alten Passagieren ins Gespräch zu kommen. Denn das, betont Marco Schwedt, „ist immer noch das Schönste an meinem Beruf.“

Die Schiffe der Weißen Flotte

Mit ihren 38 Metern Länge und 5,20 Metern Breite sind die 1985 gebaute und 2011 umgebaute „MS Heisingen“ sowie die 1970 gebaute „MS Baldeney“ die beiden größten Schiffe der Weißen Flotte. Ersteres bietet seinen Passagieren 174 Sitzplätze im Salon sowie weitere 60 auf dem Freideck – bei der „MS Baldeney“ sind es 174 sowie 72 Sitzplätze. 1975 gebaut und 2010 umgebaut bietet die nur wenig kleinere „MS Kettwig“ mit ihren 27,80 Me­tern Länge und 5,20 Metern Breite 108 Sitzplätze im Salon sowie 72 auf dem Freideck. Die drei Schiffe sind auf dem Baldeneysee, der Ruhr und dem Rhein-Herne-Kanal un­terwegs.

Deutlich weniger Platz bietet die 1973 gebaute „MS Steele“ mit ihren 22,80 Metern Länge und 5,20 Metern Breite. 2010 wurde sie umgebaut. Sie bietet 42 Personen im Salon und 100 weiteren auf dem Freideck Platz. Das Schiff ist auf der Ruhr und dem Baldeneysee unterwegs.

Die „MS Stadt Essen“ entstand 1986, umgebaut wurde sie 2012. Mit ihren 38,50 Metern Länge und 5,20 Metern Breite bietet das größte Schiff der Weißen Flotte 120 Sitzplätze im Salon und die gleiche Anzahl auf dem Freideck. Sie ist nur auf dem Baldeneysee unterwegs – wie auch ihre kleinste Kumpanin, die 1955 gebaute „MS Isenberg“. Sie bietet lediglich 16 überdachte Plätze für ihre Passagiere.

Weitere Informationen zu den Fahrten der Weißen Flotte auf dem Rhein-Herne-Kanal, dem Baldeneysee und der Ruhr gibt’s unter 18 57 99-0 sowie auf www.baldeneysee.com.