Essen. Auf der Gewerbeimmobilienmesse „Expo Real“ wird eines deutlich: Vom Welterbe Zeche Zollverein versprechen sich alle Impulse im Quartier und neue Wirtschaftskraft fürs Ruhrgebiet. Doch der gewünschte Effekte à la Bilbao braucht vor allem eins: Geduld. Hermann Marth, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein sagt: „Zollverein eine neue Nutzung zu bescheren dauert eine ganze Generation.“
Neulich haben sie die erste Ernte eingefahren: 70 Kilogramm schmackhafter Honig – nicht schlecht für den Anfang, wo doch erst seit knapp einem Jahr vier Bienenvölker auf dem Dach der Firmenzentrale ein neues Zuhause gefunden haben. Aber wiederum auch nicht so viel, dass man im großen Stil in die Vermarktung hätte gehen müssen, also bekamen die Mitarbeiter der RAG Montan Immobilien selbst den süßen Brotaufstrich geschenkt.
Und damit jene Leute, die sich vorgenommen haben, dass von Zollverein mehr kleben bleiben möge, als das Etikett eines bestaunens- und besuchenswerten Kultur- und Tourismus-Standorts. „Hallo München, komm’ Essen“, heißt also in diesen Tagen die Devise bei der Gewerbeimmobilienmesse „Expo Real“, dem alljährlichen Marktplatz der Immobilienbranche, und einmal mehr leuchtet der berühmte Stoppenberger Doppelbock vom Stand der RAG-Tochter und der Stiftung Zollverein: als Signal für den „Zollverein-Effekt“.
Angelehnt an "Bilbao-Effekt"
Das ist erstmal nur eine Marketing-Idee, und noch nicht einmal eine ganz so neue: Angelehnt an den „Bilbao-Effekt“ soll der Begriff deutlich machen, dass Zollverein positive Impulse für die gesamte Region liefert – so wie einst das Guggenheim Museum der baskischen Arbeiterstadt ein ganz neues modernes Image einhauchte.
Ein bisschen arg weit hergeholt? Nein, findet Hermann Marth, „schon jetzt nimmt man den Essener Norden ganz anders wahr“: Wo Zollverein früher für Maloche, Dreck und Industrie stand, falle einem jetzt die Schönheit des Ensembles in den Blick: „Das ist nicht nur Industrie-Romantik, sondern auch ein Zeichen für vorbildlichen Strukturwandel“, betont der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zollverein, und zählt die kleinen Fortschritte auf dem Gelände auf: dass nunmehr drei alte Werkshallen nach der Versammlungsstätten-Verordnung zugelassen sind, dass die Werbeagentur KNSK im Schatten des Förderturms eine neue Heimat fand, dass man sich jetzt anschickt, die Halle 4 gegenüber dem Ruhr Museum zum Gastro-Standort auszubauen.
Nun gut: Den großen Wurf gibt es in wirtschaftlicher Hinsicht nicht. Noch nicht, wie Marth versichert: „Wir reden über solche Dinge erst, wenn die Tinte unter dem Vertrag trocken ist.“ Die Attraktivität des gesamten Geländes aber sei „in einer Art und Weise gewachsen, dass wir bei den Anfragen eine regelrechte Sonderkonjunktur verspüren.“
Details? Keine. Nur die inständige Bitte, mit dem Welterbe nicht allzu ungeduldig zu sein: Zollverein eine neue Nutzung zu bescheren, „das ist eine Aufgabe, die eine ganze Generation dauert. Und so gesehen liegen wir voll im Zeitplan.“ 2015 kommt das Kammgebäude auf den Markt, und auch auf der südlichen, der so genannten „weißen Seite“ der Kokerei könnte die Vermarktung der dann sanierten Flächen starten.
Entscheidung voraussichtlich Anfang 2014
Vertrösten also, einmal mehr. Man hätte so schöne Baustellen-Bilder zeigen können, wäre im Herbst 2012 nach langem Hin und Her nicht der Grundstücks-Deal mit dem saudi-arabischen Scheich Hani Yamani geplatzt. „Das hat viel Zeit gekostet“, räumt auch Hermann Marth ein. Statt 2014 sollen die Designer an der Folkwang-Uni der Künste nun erst 2016 hier im Kreativ-Quartier an der Haldenstraße studieren. Womöglich in einem Bau, den die RAG Montan Immobilien errichtet, denn die RAG-Tochter hat sich nach NRZ-Informationen in dem europaweiten Wettbewerb um das Projekt beworben. Ob sie den Zuschlag bekommt, entscheidet sich voraussichtlich Anfang kommenden Jahres.
Und wer weiß, vielleicht findet sich dann auf dem Uni-Dach noch ein Plätzchen für ein paar weitere Bienevölker. Die süße Ernte anno 2013 macht Appetit auf mehr.