Essen.. Wurde das Engagement der Unternehmensberatung Roland Berger beim Stadionprojekt erst nachträglich legitimiert? Die Stadt Essen ist auf der Suche nach dem Vertrag mit der GVE, die 3,3 Millionen Euro an Berger zahlte.

Die Ungereimtheiten rund um den Bau des neuen Stadions an der Hafenstraße und um das „Projekt Fußball“ reißen nicht ab. Nach WAZ-Informationen fahndet der Interimsgeschäftsführer der städtischen Grundstücksverwaltung Essen (GVE), Dirk Miklikowski, fieberhaft nach einem Vertrag, den die GVE mit dem Beratungsunternehmen Roland Berger über besagtes Projekt abgeschlossen hat.

Das Papier datiert vom 23. September 2009. Miklikowski verspricht sich davon offenbar Aufschluss darüber, wie es dazu kommen konnte, dass die GVE insgesamt 3,3 Millionen Euro an Beraterhonoraren an das Münchener Unternehmen gezahlt hat. Pikant: Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war Roland Berger bereits seit mehr als einem Jahr für die GVE tätig; die erste Rechnung der Münchener soll von Juli 2008 datieren. Dies wirft wiederum die Frage auf, ob das Engagement der renommierten Unternehmensberatung nachträglich legitimiert wurde. Und wenn ja, durch wen?

Rechnungen mit Bezug auf den Vertrag

Einen Hinweis gibt möglicherweise das Datum: Der Vertrag wurde nach dem Wahlsieg von Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) 2009, aber noch vor dessen Amtsantritt geschlossen. Politisch in der Verantwortung standen also noch OB Wolfgang Reiniger und der damalige Stadtdirektor Christian Hülsmann, beide CDU.

Dass ein Vertrag mit Roland Berger existiert, lässt sich nach WAZ-Recherchen aus Rechnungen des Beratungsunternehmens schließen. Drei von insgesamt elf Zahlungsforderungen sollen ausdrücklich Bezug auf den Kontrakt nehmen. Weil das Papier bei der GVE aber unauffindbar ist, hat Interimsgeschäftsführer Miklikowski Kontakt mit Roland Berger aufgenommen, in der Hoffnung, dass die Vorgänge rund um das Stadionprojekt aufgeklärt werden können. Auf Nachfrage der WAZ wollte sich Roland Berger nicht äußern. Gegenüber der Stadt soll das Beratungsunternehmen die Zahlung von 3,3 Millionen Euro durch die GVE aber bestätigt haben.

Wie waren die Münchener mit der städtischen Grundstücksgesellschaft ins Geschäft gekommen? Laut Christian Hülsmann hatte GVE-Geschäftsführer Andreas Hillebrand die Unternehmensberatung für das Stadionprojekt ins Spiel gebracht, wohl auch in der Erwartung, dass sich die Türen zu Sponsoren leichter öffnen würden. Was das Engagement von Roland Berger angeht, kann Hillebrand sich wiederum auf jenen Gesellschafterbeschluss der Stadt Essen stützen, der es ihm erlaubte fünf Prozent der Projektkosten auszugeben, um „wirtschaftliche Grundlagen“ für den Stadionbau zu ermitteln. Wie Hillebrand diesen Rahmen deutlich überziehen konnte, bleibt unbeantwortet.

Besagter Gesellschafterbeschluss wurde auf Initiative von Hülsmann gefasst; darauf deutet ein Aktenvermerk hin. Hinter den Kulissen soll es bei der CDU deshalb mächtig gekracht haben, war es doch Thomas Kufen, Fraktionschef und OB-Kandidat seiner Partei, der öffentlich nach den Beraterhonoraren gefragt hatte. „Das Ganze gehört grundsätzlich aufgeklärt und zwar unabhängig vom Parteibuch“, sagte Kufen am Montag.

Wie konnten die Millionen aus der Rücklage für das Museum Folkwang ins Stadion fließen?

Die augenscheinlich horrenden Beraterhonorare für Roland Berger sind nicht die einzige Ungereimtheit im Zusammenhang mit dem Stadionneubau. Unbeantwortet ist bislang, wie Andreas Hillebrand als Geschäftsführer der GVE für den Neubau auf jene Millionen zurückgreifen konnte, die als Instandhaltungsrücklage für das Museum Folkwang vorgesehen waren. Hillebrand bediente sich dabei offenbar einer Vollmacht, die ihm von der Stadt am 22. November 2011 ausgestellt worden war.

Das Papier trägt die Unterschriften von OB Reinhard Paß und Baudezernentin Simone Raskob. Die Unterzeichner erteilten der GVE Vollmacht, die Stadt Essen bei allen Verhandlungen mit der Neubau Museum Folkwang Essen GmbH des Projektentwicklers Klaus Wolff zu vertreten, die eigens für den Museumsbau gegründet worden war. Ferner gestattete die Stadt GVE-Chef Hillebrand bestehende Verträge aufzukündigen, neue zu schließen und „Willenserklärungen abzugeben“. Das alles sagt nichts darüber aus, wie mit den Folkwang-Geldern zu verfahren sei.

Überweisung der Folkwang-Gelder an die Stadttochter GVE

Hillebrand ließ die Museum Folkwang Essen GmbH wissen, dass die Stadt die Instandhaltungsrücklage künftig bei der GVE führen sei und bat um die Überweisung der bis dahin gezahlten Gelder. Von der Stadt forderte der GVE-Chef die Gelder für die Jahre 2012 und 2013. Dass diese zweckgebunden waren, sei anhand der Verwendungszwecke „Treuhand Museum Folkwang“ und Instandhaltungsrücklage Museum Folkwang 2013“ zweifelsfrei erkennbar gewesen, betont die Verwaltung in einer Antwort auf die Anfrage des Ratsherrn Jochen Backes. Dennoch floss das Geld in den Stadionbau. An der notwendigen Kontrolle ließ es die Stadt offensichtlich vermissen.

Zukünftig soll die Rücklage von der Kämmerei verwaltet werden.