Essen. Die Bundeskanzlerin spricht vor 3000 Zuhörern auf dem Essener Burgplatz, um CDU-Kanidat Thomas Kufen bei der OB-Wahl zu unterstützen. Doch der Anlass gerät fast in den Hintergrund.
Peter Valerius war 1980 dabei, als Franz-Josef Strauß auf dem Burgplatz sprach. „Der Platz war mit 10 000 Menschen picke-packe voll“, erinnert sich der langjährige Vorsitzende der Bezirksvertretung Innenstadt und zeigt auf jene Stelle, an der sich der bayerische Ministerpräsident hinter aufgespannten Regenschirmen verschanzen musste. Strauß, damals Kanzlerkandidat der Union und im Revier nicht wohl gelitten, wurde mit faulen Eiern und einem Pfeifkonzert empfangen. Pfiffe muss sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gefallen lassen, als sie am Freitag auf dem Burgplatz spricht.
Antifa, Erzieherinnen, Junge Union
Obwohl zahlenmäßig unter den 3000 Anwesenden in der Minderheit, erobern junge Leute, offenbar Mitglieder der Antifa-Szene, akustisch die Hoheit über den Platz zwischen Dom und VHS; unterstützt werden sie von trillerpfeifenden Erzieherinnen, die für eine bessere Bezahlung streiten. Dagegen kommt die Junge Union mit ihrem „Angie, Angie...“ nicht an.
„Wir haben hier einige, die rufen, als hätten wir eine Bundestagswahl“, sagt Merkel scheinbar gelassen. Doch die Kanzlerin ist genervt. Sie ist nach Essen gekommen, um Oberbürgermeister-Kandidat Thomas Kufen zu unterstützen. Denn die Wahl in der neuntgrößten Stadt Deutschlands ist für ihre Partei nicht irgendeine Wahl. Die CDU will beweisen, dass sie auch in Großstädten gewinnen kann. „Wir geben die geballte Unterstützung, um Thomas Kufen Rückenwind zu geben“, ruft Merkel. Essen brauche einen Oberbürgermeister, „der sich auch mit Leidenschaft für diese Stadt einsetzt“. Doch der Grund ihres Kommens geht in diesem Szenario fast unter.
Absurde Szenen spielen sich ab
Absurde Szenen sind zu beobachten: Ein junger Mann mit einer Trommel brüllt „Merkel raus“ und „Kriegstreiberin“. Auf seinem T-Shirt steht „Refugees welcome“ – Flüchtlinge willkommen. Mit der Wirklichkeit hält das Weltbild des Schreihalses nicht Schritt.
Nur wenige Schritte entfernt, haben sich etwa 50 Flüchtlinge aus Syrien versammelt. Sie schwenken schwarz-rot-goldene Fahnen. Einige halten Plakate hoch mit der Aufschrift „Danke Frau Merkel“ und „Danke Deutschland“. Yamen Alim (31) ist einer von ihnen. Der Student der Zahnmedizin ist illegal nach Deutschland gekommen über die Türkei und Balkan-Route wie Tausende, die in den Abendnachrichten zu sehen sind. 9000 Euro hat er an Schlepper gezahlt. Nun wolle er Danke sagen dafür, dass Deutschland ihn aufgenommen habe. Für Thomas Kufen geht es um ein Amt, für die CDU um eine wichtige Wahl. Für Yamen Alim geht es um viel mehr: „Thank so much.“