Essen. Corinna Scheele hatte einen BMI von 80. Anfang 2015 begann sie eine Therapie im Steeler Krupp-Krankenhaus und ist auf dem Weg zum „Wohlfühlgewicht“.

Schon als Zehnjährige war Corinna Scheele übergewichtig, nicht extrem, aber doch kräftiger als ihre Klassenkameraden. „Als ich 19 war, ging es richtig los“, erzählt die heute 41-Jährige. Ihre Eltern hatten zu Hause auf die richtige Ernährung geachtet; als Scheele als junge Erwachsene auszog, fehlte ihr diese Vorsicht – Süßigkeiten und zuckerhaltige Getränke taten ihr Übriges, sodass ihr Gewicht immer weiter stieg. „Irgendwann wusste ich: Es geht nicht mehr.“ Da wog sie 221 Kilogramm, hatte einen Body-Mass-Index (BMI) von über 80. Bei Normalgewicht liegt dieser zwischen 19 und 25.

Ende 2014 erlitt Scheele einen Bauchdeckenbruch – etwas, das auch schlanken Menschen passieren kann, aber bei extrem Übergewichtigen schwieriger zu behandeln ist. „Danach habe ich mich direkt entschieden, ins Adipositas-Zentrum zu gehen“, sagt die 41-Jährige. Seit 2004 hat sich das Alfried-Krupp-Krankenhaus in Steele auf Adipositas-Patienten spezialisiert, seit sechs Jahren ist es ein zertifiziertes Kompetenzzentrum für diesen Fachbereich. Chefarzt Dr. Till Hasenberg bietet dort verschiedene Therapiemöglichkeiten an, bis zu operativen Therapien wie dem Einsatz eines Magen-Bypass’ oder der Bildung eines Schlauchmagens. Beide Maßnahmen wurden bei Corinna Scheele ergriffen.

Ein Beispiel für andere Betroffene

Stark übergewichtige Patienten zu behandeln ist nicht nur eine medizinische Herausforderung, sondern bedarf auch ganz grundlegender Voraussetzungen: Betten und OP-Tische müssen bis zu 300 Kilogramm tragen können, es braucht andere Toiletten, größere OP-Hemden und Bettdecken, breitere und stabilere Stühle. Auch das Pflegepersonal ist im Umgang mit Übergewichtigen speziell geschult.

„Hier gab es zum ersten Mal Stühle, in die ich passte und bei denen nicht alles weh tut“, sagt Corinna Scheele. Man könne sich als Normalgewichtiger gar nicht vorstellen, wie viele Einschränkungen sie im Alltag hinnehmen müsse. Jahrelang fuhr die Mutter einer Tochter kein Auto, weil das Lenkrad ihrem Bauch im Weg war.

Dass Corinna Scheele ihre Geschichte erzählt, fällt ihr nicht leicht, aber sie möchte anderen Betroffenen mit gutem Beispiel voran gehen. Ihr Selbstbewusstsein hat die sympathische Frau nicht verloren, obwohl sie regelmäßig Anfeindungen von Fremden erfährt. Im Supermarkt wurde sie einmal mit „wenn ich so fett wäre wie du, würde ich mich umbringen“ beschimpft.

Psychologische Begleitung

Bevor die Operation eines Adipositas-Patienten von der Krankenkasse übernommen wird, muss er eine etwa halbjährige Vorschalttherapie durchlaufen. Dr. Till Hasenberg sieht das kritisch: „Man muss sich bewusst machen, dass Adipositas eine Krankheit ist“, sagt der Chefarzt, „trotzdem muss man mit der Therapie den Krankenkassen noch beweisen, dass diese nicht anders als mit einer Operation heilbar ist.“ Allerdings, wirft Scheele ein, mache diese Vorbereitung, zu der eine Ernährungsumstellung und auch eine psychologische Begleitung gehören, einem auch bewusst, was man im Begriff ist zu tun – „ein gesundes Organ zu operieren“. Jeden Tag werde sie an die OP erinnert, sie darf beispielsweise nicht mehr gleichzeitig essen und trinken.

Mittlerweile hat Scheele 60 Kilogramm abgenommen, sie wiegt rund 160 Kilo, ihr BMI liegt knapp unter 60. Ein bewusstes Ziel will sie nicht definieren, aber „irgendwann möchte ich mein Wohlfühlgewicht erreichen.“