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Spielen, kochen, bügeln: Noteltern springen in Familien ein, um Kinder zu betreuen und den Haushalt schmeißen.
Einen Säugling auf dem Rücken, den fünfjährigen Bruder an der Hand: Hannelore Hinz (62) erinnert sich, dass dem Jungen die Brezel in den Dreck fiel und es wie verrückt regnete. Dennoch war der Martinszug für sie wunderschön, denn sie war als Notmutter dort, ein Einsatz, den sie seit fast zwei Jahren begeistert übernimmt. Sie hilft einfach gern in Familien, wenn sich die Mutter ein Bein bricht, der Vater einen Bandscheibenvorfall hat oder ein Klinikaufenthalt ansteht.
Früher hat Hannelore Hinz im Krupp-Reisebüro gearbeitet, war bei den Nachbarn Kinderfrau. Als die ins Ausland zogen und sie nicht zuhause sitzen wollte, hat sie sich als Notmutter beim Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) gemeldet. Die Kontaktstelle an der Rellinghauser Straße vermittelt Helfer, die Kinder versorgen und – im Gegensatz zu Tageseltern – den Haushalt schmeißen. Etwa 30 gibt es. Für die Arbeit gibt es mindestens 8,50 Euro/Stunde.
Weitere Noteltern werden dringend gesucht. „Der Bedarf ist enorm gestiegen“, sagt Katharina Porydzaj vom VAMV. Weil das familiäre Netzwerk oft fehle, Großeltern noch berufstätig sind oder zu weit weg wohnen. Noteltern müssen gut erreichbar und zuverlässig sein. Sie müssen sich schnell in neuen Situationen zurechtfinden. Sich einfühlen, statt ihren Kopf durchzusetzen. Interessierte müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen und Erfahrung mit Kindern, als Babysitter, Au-Pair oder Erzieher mitbringen. Angesprochen sind auch Mütter, deren Kindererziehung abgeschlossen ist und die arbeiten möchten, aber in ihren Beruf nicht zurück können oder wollen.
Kommt ein Notruf bei Katharina Porydzaj oder Sung Sauter-Mehlan ein, sind sie mitunter auf Noteltern angewiesen, die sofort startbereit sind. Nachtdienste muss nicht jeder übernehmen. Aber jeder müsse damit rechnen, dass ein Einsatz mindestens drei Stunden dauert. Die Vermittlerinnen sind Ansprechpartner, achten darauf, dass Noteltern und Familien zueinander passen. Sie versuchen Wünsche nach der türkischen Notmutter oder einem Notvater zu erfüllen, auch wenn bislang nur drei Männer im Einsatz sind.
Thomas Heyl hat seit April in drei Familien geholfen. Der 22-Jährige ist Erzieher und studiert Soziale Arbeit. In den Semesterferien hat er sich an drei Tagen in der Woche als Notvater angeboten. Ein Job, der Verantwortung bedeutet: „Das sollte niemand machen, um sich nebenbei sein Studium zu finanzieren.“ Thomas Heyl bringt Kinder zur Kita, kocht, spielt oder putzt. Es gebe Familien mit festem Tagesplan vom Fußball bis Ballett. Fehlen Strukturen oder herrscht Unordnung, müsse er halt erst anpacken. Schmunzelnd erinnert er sich an den Tag, an dem er mit Rucksäcken und Taschen bepackt hinter den radelnden Kindern durch Rüttenscheid rannte. Sie mussten pünktlich zur Logopädin.
Hannelore Hinz hat Menschen kennengelernt, die sich ihr mit Eheproblemen anvertrauen. Oder sie zur Hochzeit einladen. Es gibt Frauen, die sich nur schwer helfen lassen können, die ihr sagen, welche Pfanne für welches Schnitzel ist und sich später entschuldigen, weil sie „ekelhaft“ waren.
Immer gibt es Dankbarkeit und sehr häufig Kontakt, wenn der Einsatz längst beendet ist. Kinder haben der Notmutter schon das Haus des Nachbarn als Wohnsitz angeboten: „Dann können wir immer quatschen.“ Väter waren sprachlos, wenn sie vier Kinder versorgt, den Hund ausgeführt und 20 Hemden gebügelt hat. Eine Schwiegermutter bedankte sich dafür, dass es sie gibt. Wenn Hannelore Hinz mit den Kindern lernt, fordere sie das auch geistig. Lob bekommt sie, wenn sie mit ihnen auf dem Boden tobt: „Du bist ja viel flotter als meine Oma“.
Bezahlung und Kontakt
Das Essener Kontaktbüro für Noteltern des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter betreut auch Helfer und Familien u.a. in Mülheim oder Bochum. Jugendämter oder die Krankenkassen zahlen für den Einsatz 16,99 Euro pro Stunde. Noteltern erhalten mindestens 8,50 Euro pro Stunde. Bis 2110 Euro jährlich seien steuerfrei, erklärt Sung Suter-Mehlan: „Es ist eine selbstständige Tätigkeit, für die kein Gewerbe notwendig ist“. Den Umfang in der Woche bestimmen die Noteltern, die volljährig sein müssen. Weitere Infos im Kontaktbüro: Tel. 0201-82 77 482