Essen. Der Einzelhandelsverband Ruhr fordert seine 900 Mitgliedsunternehmen auf, die Kunden anzusprechen.
Nicht mal beim Einkauf hat man seine Ruhe: Da steht man nun beim Herrenausstatter seines Vertrauens zwischen all den Hemden oder Socken, oder beim Metzger an der Wursttheke, und überlegt noch, ob es fürs Frühstück vielleicht doch der Serrano-Schinken sein soll, und dann flüstert einem der Meister zu: „Übrigens, Bürgerbegehren Messe – bitte unterschreiben Sie nicht.“ Das halten Sie für abwegig? Nun, der Einzelhandelsverband Ruhr sieht sich aktuell in der Pflicht, seine über 900 Mitgliedsunternehmen in Essen, Mülheim und Oberhausen per Rundschreiben aufzurufen, genau dies zu tun: „Eine wettbewerbsfähige Messe Essen liegt im ureigensten Interesse des Essener Einzelhandels, weshalb es wichtig ist, den derzeitigen Stillstand schnellstmöglichst zu beenden“, schreiben der Vorstandsvorsitzende Jürgen Bessel und Geschäftsführer Marc Heistermann an alle Einzelhändler. „Von daher möchten wir Sie bitten, sich nicht am Bürgerbegehren zu beteiligen und nach Möglichkeit auch bei ihren Kunden dafür zu werben, dies nicht zu tun.“
Das Bürgerbegehren „Messe-Umbau nicht um jeden Preis“ gefährde den Standort Essen. Dabei profitiere von der Messe nicht nur die Hotellerie, die Gastronomie und der Freizeitbereich, sondern nicht zuletzt auch der Einzelhandel, so Bessel und Heistermann, die sich mit ihrer Empfehlung an die Mitgliedsunternehmen auf der sicheren Seite sehen und sich auf einen Vorstandsbeschluss berufen. Mit einem ähnlichen Streit wie bei Verdi rechnen sie deshalb nicht.
Kundengespräch wird nicht so gerne gesehen
„Wir wissen, dass unsere Empfehlung ein heißes Eisen ist“, sagt Marc Heistermann im NRZ-Gespräch, „aber wir sitzen hier alle in einem Boot und werden alle die negativen Folgen zu spüren bekommen, sollte sich bei der Messe nichts ändern.“ Er erwarte auch nicht, dass nun jeder Einzelhändler jeden Kunden ansprechen werde: „Das ist doch ganz klar eine Frage der Situation. Aber wenn den Kunden das Thema interessiert, sollte man dazu auch Stellung beziehen.“
Ob Essens Einzelhändler dies so auch sehen? Eine Blitzumfrage bei vier Unternehmen zeigte gestern jedenfalls ein deutliches Bild: Eine Diskussion über das Bürgerbegehren will keiner in seinem Geschäft haben. „Ich rede mit dem Kunden gerne über seine Wünsche, über meine Ware, vielleicht noch übers Wetter – aber sicher nicht über das Bürgerbegehren“, sagte einer der Einzelhändler. „Dazu habe ich eine private Meinung, die gehört aber nicht ins Geschäft.“