Essen.. Das städtische Wohnungsbauunternehmen soll nach Möglichkeit die lange überfällige Sanierung der Obdachlosenunterkunft in Überruhr übernehmen. Eine Entscheidung könnte am Mittwoch im Rat der Stadt fallen. 118 Menschen gleichzeitig waren im Schnitt des vergangenen Jahres in der Notunterkunft Liebrechtstraße untergebracht. Die Kapazitäten sind aus Sicht der Stadt ausreichend.

Schon beim Gedanken an den Schandort geht ein Schaudern quer durch alle Ratsfraktionen. Die heruntergekommene Obdachlosenunterkunft an der Liebrechtstraße ist nahezu zu einem Symbol bröselnder politischer Glaubwürdigkeit in dieser Stadt geworden. Denn Versprechen wurden reichlich gemacht, nicht zuletzt, um Anwohner zu beruhigen, jedoch nicht gehalten: Die nicht unumstrittene, aber dennoch dringend benötigte Einrichtung für Menschen und Familien, die ihre Wohnungen verloren haben, sollte nur unter eindeutig formulierten Bedingungen erhalten werden, hieß es vor vier Jahren.

4,6 Millionen Euro für die Sanierung

Eine davon war zum Beispiel die bauliche Sanierung, die aus dem Verkauf des ehemaligen Asylheims an der Märkischen Straße finanziert werden sollte. Die Immobilie in Freisenbruch hat längst den Besitzer gewechselt, während in den Überruhrer Gebäuden aber weiter der Verfall fortschreitet. Passiert, so klagen vor allem SPD und Linke seit Jahren, ist nichts, weil die Stadt keine 4,6 Millionen Euro für eine Komplett-Sanierung des Komplexes übrig hat und andere Baumaßnahmen wichtiger erschienen.

In der Ratssitzung könnte allerdings neuer Schwung in die verfahrene Situation kommen: Die städtische Allbau AG soll nach Möglichkeit die bauliche Instandsetzung der Häuser übernehmen und nach Fertigstellung an die Stadt vermieten, zu einem Preis, der noch auszuverhandeln wäre. Dies wäre eine Lösung, für die sich die CDU-Fraktion stark machen will, während die SPD ebenfalls auf einen baldigen Fortschritt mit dem Wohnungsbauunternehmen hofft.

"Dann wäre endlich den Bewohnern geholfen"

Dort scheint man offene Türen einzurennen. Der Allbau jedenfalls signalisierte, „das Projekt gerne stemmen zu wollen“, wie es sein Sprecher Dieter Remy auf Anfrage formulierte. Man befinde sich bereits in Verhandlungen mit der städtischen Immobilienwirtschaft. „Dann wäre endlich den Bewohnern geholfen“, meint Janine Laupenmühlen, stellvertretende Fraktionschefin der SPD: „Auch würde das Umfeld für die Anwohner und die Kita Wirbelwind deutlich aufgewertet.“ Jutta Eckenbach, sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, erhofft sich von der heutigen Ratssitzung Gewissheit, wie es weitergehen soll.

Würde der Allbau in die Bresche springen, bliebe der Politik zumindest eine Diskussion erspart, die so mancher schon jetzt als unangenehm empfindet: Für die dringende Sanierung der Obdachlosenunterkunft rund fünf Millionen Euro in die Hand nehmen zu müssen, die dann wiederum für die Instandsetzung etwa von Schulen fehlen.

37 Neuzugänge gab es Jahr 2011

Über die bauliche Aufwertung der Häuser nach EU-Standards hinaus fordert die Fraktion Die Linke die Stadt in der heutigen Ratssitzung auf, darzulegen, wie die Bewohner psychosozial und pflegerisch betreut werden. Zudem soll die Vermittlung in Mietwohnungen stärker betrieben werden. Die Menschen wohnen durchschnittlich etwa zwölf Monate in der Obdachlosenunterkunft. Im vergangenen Jahr mussten 37 Neuzugänge an der Liebrechtstraße untergebracht werden.

Mehr Räumungsklagen:

118 Menschen gleichzeitig waren im Schnitt des vergangenen Jahres in der Notunterkunft Liebrechtstraße untergebracht. Die Kapazitäten sind aus Sicht der Stadt ausreichend. Die Sozialverwaltung beobachtet jedoch mit Sorge eine Zunahme der Räumungsbegehren: Im vergangenen Jahr wurden 2792 Kündigungen bekannt. 273 mehr als in 2010.