Essen-Rüttenscheid.
Vorsichtig zieht Dirk Träbert den Silberdraht glatt, bevor er erhitzt und durch ein Zieheisen gedrückt wird. Eine Methode, bei der viel Geschick, aber auch Kraft erforderlich ist. Ort des Geschehens ist die kleine Goldschmiede „Zwei machen Schmuck“ am Rüttenscheider Markt. Sie ist eine Station des Handwerksrundgangs durch Rüttenscheid, zu dem die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) geladen hat.
Kirstin Jankowski nimmt sich Zeit für die siebenköpfige Truppe: Die Goldschmiedin hat sichtlich Spaß daran, ihr Gewerbe näher zu bringen, fordert die Besucher auf, selbst Hand an zu legen. Dirk Träbert lässt sich das nicht zweimal sagen: Der Wuppertaler, der sich für altes Handwerk begeistert, merkt schnell, dass die Verarbeitung von Silber Fingerspitzengefühl erfordert. „Dass man so die Möglichkeit bekommt, einen Blick hinter die Kulissen von Handwerksbetrieben zu werfen, finde ich toll“, sagt er.
Gut, dass sich in Rüttenscheid viele kleine Betriebe angesiedelt haben, deren Produktion noch handgemacht ist. Und so fällt es nicht so ins Gewicht, dass manch interessante Werkstatt, die auf der dreistündigen Tour gestreift wird, ihre Türen verschlossen hält. „Wir haben viele im Vorfeld angefragt. Einige haben abgesagt, weil ihre Räumlichkeiten zu klein sind“, weiß Petra Bernicke. Für die Historikerin, die durch das Quartier führt, wie für die Teilnehmer ist der Rundgang eine Premiere.
Die sei gelungen, findet Maria Gill. Die Rüttenscheiderin, die seit 1957 hier lebt, ist neugierig darauf, „was sich in meinem Viertel alles getan hat“. Gerade ist sie damit beschäftigt, diverse Hüte aufzuprobieren, die ihr die Modistin Ulrike Strelow anreicht. Ihre Hutmanufaktur ist seit zwölf Jahren am Ort. Auch wenn es in der Werkstatt hinter dem Geschäftsraum etwas eng wird, lässt sich die Hutmacherin nicht aus der Ruhe bringen, zeigt ihre Hutrohlinge und beschreibt den Werdegang eines Filz- oder Strohhutes. Bis zu einer Woche, so erklärt die Modistin, dauere die Herstellung einer Kopfbedeckung.
Ganz so lange braucht Paola Andreea Guardia nicht, um ihre süßen Kunstwerke zu kreieren. In der kleinen Pâtisserie Criolla in der Emmastraße, die die Kolumbianerin gemeinsam mit ihrem Mann betreibt, riecht es betörend gut nach Schokolade und Marzipan. „Alle unsere Torten sind Spezialanfertigungen“, erzählt sie den Gästen, „wir arbeiten ausschließlich auf Bestellung.“ Wer naschen möchte, kann sich an den kleinen Cupcakes versuchen, Miniaturausgaben der Criolla-Tortenwerke. Dorothee Herskamp kann nicht widerstehen: Die 26-jährige Borbeckerin will nach Rüttenscheid ziehen und nimmt den Handwerkerrundgang als Anlass, die neue Heimat ein Stück weit zu entdecken.
Vorletzte Station der Tour, bevor es zum handgemachten Gerstensaft geht, ist die kleine Galerie „dieserArt“ im Girardet-Haus. Eigentlich sollten die Teilnehmer einem Künstler beim Malen über die Schulter schauen. Doch es bleibt nur bei einer kurzen Einführung in die ausgestellten Werke, die von Schülern der Malschule in der Zeche Elisabeth gefertigt wurden.
Umso mehr Zeit verbringt die Truppe in der benachbarten Rüttenscheider Hausbrauerei. Braumeister Volmar Kampl ist in seinem Element und lässt sich ausführlich über Gerste, Hopfen, Malz und Hefe aus, erzählt vom Maischen, Läutern, Würzen und Kochen. Am Ende gibt es eine Runde Helles für die Teilnehmer der Tour. Ob eine Fortsetzung folgt, wird sich zeigen.