Essen. Mit einer gemeinsamen Aktion mit dem Verbraucherministerium wendet sich die Essener Tafel gegen die Lebensmittel-Verschwendung. Obwohl sie davon lebt, sehen die Initiatoren darin keinen Widerspruch. Selbst Kunden der Tafel lehnen Lebensmittel ab, deren Haltbarkeitsdatum überschritten ist.

Goldene Osterhasen stapeln sich derzeit kistenweise bei der Essener Tafel an der Steeler Straße. Eigentlich ist an der Schokolade nichts dran. Doch wer will nach Ostern noch Osterhasen essen? Es ist jedes Jahr das Gleiche. „Nach Weihnachten und Ostern haben wir hier Süßwaren ohne Ende“, sagt Klaus Wehlmann, stellvertretender Vorstand bei der Tafel. Bevor jedoch die teure Schokolade in der Tonne landet, findet sie bei Bedürftigen noch dankbare Abnehmer.

Im Raum nebenan sortiert Roland Sabarstinski eine Palette Naturjoghurt um. Als Mindesthaltbarkeitsdatum ist der 9. Mai aufgedruckt. Das sind noch dreieinhalb Wochen. Der Joghurt kommt von einem Großhändler, hat gar nicht erst Ladenregale gesehen. Ein Becher war kaputt, und so landete die gesamte Palette gleich bei der Tafel. „Die Händler haben gar nicht die Zeit und das Geld, so etwas umzusortieren“, sagt Wehlmann.

Vom Ministerium allein gelassen

Täglich sammeln Mitarbeiter der Tafel mit ihren sechs Lastwagen zehn Tonnen Lebensmittel in Essen ein, die ansonsten im Müll gelandet wären. Der Vorstand der Essener Tafel, Jörg Sartor, schätzt, dass man locker das Doppelte am Tag holen könnte. Die Tafel Essen will deshalb diese Woche ein Zeichen gegen die alltägliche Lebensmittelverschwendung setzen. Sie ist Mit-Ausrichter der Initiative „Zu gut für die Tonne“, die vom Bundesverbraucherministerium ins Leben gerufen wurde. Am Donnerstag und Samstag finden dazu verschiedene Veranstaltungen statt, die aufklären sollen.

Verschiedene Lebensmittel werden nach Haltbarkeitsdatum sortiert. Foto: Vahlensieck
Verschiedene Lebensmittel werden nach Haltbarkeitsdatum sortiert. Foto: Vahlensieck © Unbekannt | Unbekannt

Dass ausgerechnet die Tafeln, die vom Wegwerfen leben, sich gegen die Verschwendung stellen, sieht Sartor nicht als Widerspruch. Erstens wolle man nicht als Vollversorger für Bedürftige auftreten. Zum anderen kämpft auch die Tafel mit der Voreingenommenheit ihrer Kunden. „Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, nehmen die Leute die Lebensmittel nicht mehr“, so Wehlmann. Dabei sei das Mindesthaltbarkeitsdatum nur ein Richtwert. Genießbar sind viele Produkte deutlich länger.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner hatte sich gegen die Wegwerf-Mentalität stark gemacht und die Initiative „Zu gut für die Tonne“ gestartet. Doch nach Essen wird die Ministerin nicht kommen. „Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir das wohl nicht organisiert“, sagt Sartor. Die ehrenamtlichen Tafel-Helfer fühlen sich vom Ministerium allein gelassen. Und auch Oberbürgermeister Reinhard Paß wird am Samstag nicht zur Veranstaltung auf den Willy-Brandt-Platz kommen. Sartor enttäuscht: „Wir fühlen uns missachtet.“

Podiumsdiskussion und kostenlose Suppe

Die Aktion „Zu gut für die Tonne“ wird am Donnerstag mit einer öffentlichen Podiumsdiskussion in der Lernbar der Volkshochschule gestartet. 17.30 Uhr stimmt eine Kurzfassung des Films „Taste the Waste“, der die Verschwendung von Lebensmitteln anprangert, auf das Thema ein. Gegen 18 Uhr wird der Co-Autor des Films, Stefan Kreutzberger, u.a. mit Vertretern des Verbraucherministeriums, dem Velberter Gourmetkoch Walter Stemberg sowie Tafelmitarbeitern über Gründe, Ausmaße und Auswege aus der Wegwerf-Mentalität diskutieren. Anschließend gibt es für das Publikum eine Gemüsesuppe, die aus Zutaten, die von der Tafel stammen, zubereitet wird.

Am Samstag wird das Thema in die breite Öffentlichkeit auf den Willy-Brandt-Platz getragen. Ab 11 Uhr wird die Diskussion dort weitergeführt. Kinder- und Jugendeinrichtungen gestalten ein Bühnenprogramm und zeigen, wie sie verantwortlich mit Lebensmitteln umgehen. Denn für die Veranstalter ist klar: Umdenken fängt bei den Jüngsten an. Schließlich teilt die Tafel kostenlos Kartoffelsuppe aus.