Essen. Um die unkontrollierte Fortpflanzung von freilebenden Katzen zu stoppen, soll die Stadt Essen diese zählen – und möglicherweise kastrieren lassen.

Am Stadthafen tummeln sich Massen wild lebender Katzen. In Kupferdreh ist das Problem arg, auch in Stoppenberg. Überall im Stadtgebiet kümmern sich Ehrenamtliche des Katzenschutzbundes täglich um diese Tiere. Das kostet sie viel Zeit und Geld. Sie füttern und fangen die Katzen, um sie beim Tierarzt behandeln und kastrieren zu lassen. Geht es nach NRW-Umweltminister Johannes Remmel, könnte auch in Essen eine Katzen-Volkszählung starten. Am Ende dieser sollen besonders problematische Bereiche benannt werden, in denen die Kastration der Tiere angeordnet würde.

Leiden und Schäden feststellen

Auch interessant

Dahinter steckt die Idee, „den unkontrollierten freien Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen zu beschränken“, so formuliert es der Minister im Entwurf, den die Kommunen in Händen halten. Darin steht zudem, dass „erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden“ an den Tieren festzustellen sind. Ernährungszustand, Parasitenbefall, Zustand von Gebiss und Krallen sowie Kampf- und Bisswunden.

„Die Verwaltung hat keine belastbaren Zahlen über Freigänger oder wild lebende Katzen“, sagt dazu Stadtsprecher Stefan Schulze. „Wir kennen keine Hotspots.“ Mit dem Thema aber werde die Stadt sich befassen. Allein, Kräfte gibt es für eine Katzenzählung bei der Stadt nicht. Und derzeit mit der Versorgung der Flüchtlinge drängerende Aufgaben. Ziel sei es, mit Tierschutzverbänden und Veterinäramt zunächst die Lage zu beurteilen. „Wir brauchen belastbare Zahlen.“ Dann wird es auch um die Frage der Kosten gehen. Eine willkürliche Verordnung wolle die Stadt nicht: „Wir wollen das Thema mit einem Konzept angehen, um argumentieren zu können“, sagt Schulze.

Viele Fundkatzen in Altenessen

Und während CDU-Politiker wie Armin Laschet über die tierische Volkszählung scherzen, ist das jetzige Elend für Essener Tierschützer bitterer Ernst. Der Katzenschutzbund nennt bereits konkrete Zahlen zu freilebenden Katzen: „Es sind garantiert 20 000 Tiere.“ Je nach Stadtteil ist das Problem mehr oder weniger gravierend. „Alles, was wir machen, dreht sich um diese Tiere – seit 40 Jahren“, sagt die Vorsitzende Ruth Kürten. Für die medizinische Versorgung und Kastration zahlte der kleine Verein allein 2014 über 40.000 Euro. Im Prinzip müsste sich die Stadt kümmern, sagt sie.

In der Praxis aber übernehmen das neben dem Katzenschutzbund auch Mitglieder des Essener Tierschutzvereins. Sie zahlen zudem die gleiche Summe noch mal obendrauf. Sie fordern von der Kommune, die Vorgaben des Landes umzusetzen und endlich eine Katzenschutzverordnung zu beschließen. Wie drängend das Problem ist, haben sie dokumentiert: Von 2013 bis Mitte 2015 sind im Tierheim 2008 Fundkatzen und 353 tote Katzen angekommen. Die meisten aus Altenessen (370 Katzen, 43 tote Tiere), Borbeck (200/26), Katernberg (131/16), Altendorf (102/15) und Frohnhausen (85/21).

Tierschützer wollen generelle Kastrationspflicht

Was den Gesundheitszustand der freilebenden Katzen angeht: „Alle sind krank“, sagt Ruth Kürten. Das belegen die Aufzeichnungen der Katzenschützer für die Tiere, die sie versorgen. Verteilt über alle Stadtteile sind es hunderte Tiere, die täglich zu den Futterstellen kommen. Eine Wahnsinnsarbeit, sagt Ruth Kürten und fordert eine generelle Kastrationspflicht.

Ausgewiesene Hotspots hält Elke Esser-Weckmann inzwischen für durchaus sinnvoll. Dabei war die Vorsitzende des Essener Tierschutzvereins selbst lange eine derjenigen, die die Kastrationspflicht in ganz Essen forderte, um das Elend zu stoppen. Nun aber kenne sie die juristischen Probleme, die sich stellen können, wenn eine Freigänger-Katze aufgegriffen und kastriert wird. Es könnten Klagen der Besitzer folgen, wenn es ihm dann etwa um Eigentumsrechte oder Rechnungen gehe. Nach dem neuen Vorgehen werden nun aber bestimmte Gebiete aus Tierschutzsicht erkannt, um eine Kastrationspflicht zu begründen. Dafür könne der Tierschutzverein der Stadt gern seine Unterlagen zu den Fundkatzen zur Verfügung stellen, die Zahlen für beinahe jeden Stadtteil nennen. Damit ergibt sich schon jetzt so mancher Hotspot.

Ruth Kürten indes kann sich diese Lösung praktisch aus ihrer langjährigen Erfahrung nicht vorstellen: „Katzen halten sich nicht an Zonen“, sagt sie und hält diesen Vorschlag für unsinnig.