Essen.. Prominente und weniger prominente Essener übergießen sich mit großer Wonne mit Eiswasser. Sie machen bei der „Ice Bucket Challenge“ mit, um Spenden für die Erforschung der Nervenkrankheit ALS zu sammeln.
Was ist bloß mit Essens Polizeibeamten los? 20 Polizistinnen und Polizisten übergießen sich und ihre blauen Uniformen in der Dienstzeit eimerweise mit eiskaltem Wasser. Und Polizeipräsidentin Stephania Fischer-Weinsziehr schaut dabei fröhlich zu, motiviert ihre Truppe sogar. Es ist die „Ice Bucket Challenge“ (Eiskübelherausforderung), die sie alle gepackt hat und die Spenden für die weitere Erforschung der tödlich verlaufenden Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) einbringen soll. Für jeden Beamten, der sich gestern Morgen vor dem Präsidium selber nass macht, spendet Fischer-Weinsziehr zehn Euro aus der eigenen Tasche und kauft sich selber mit nochmals 100 Euro frei, denn sie ist wasserscheu. Das knallgelbe Regencape liegt bereit. „Obwohl es eigentlich so ist, dass man nominiert wird, hat das in diesem Fall niemand bisher bei uns gemacht. Aber wir wollten einfach bei dieser Aktion mitmachen und helfen“, so Fischer-Weinsziehr, die aber nicht vergisst, drei andere Personen fürs nasskalte Bad ins Rennen zu schicken: Dr. Oliver Kastrup, Oberarzt am Uniklinikum Essen, Feuerwehrchef Ulrich Bogdahn und Polizeipfarrer Folkhard Werth. Denn so funktioniert die Challenge.
Feuerwehrchef Ulrich Bogdahn hat schon mitgemacht, gemeinsam mit einem Trupp von Frauen und Männern der Wehr. Gleiches gilt für den Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer, Arnd Brechmann von der Christoph-Metzelder-Stiftung, Jessica Roth, Chefin der Jungen Union in der Stadt und Agenturchef Thomas Siepmann. Sie alle haben sich mit einem Eimer Eiswasser übergossen. Und das für den guten Zweck, um auf ALS aufmerksam zu machen. Denn darum geht’s (neben dem Spaß) bei der jüngst aus den Vereinigten Staaten von Amerika rübergeschwappten Challenge. Sie versucht über diese einmalige Aktion weltweit Spenden für die ALS-Forschung zu generieren. Bisher sind so schon über 60 Millionen Euro zusammengekommen.
„Das Eiswasser hat ja unter anderem den Effekt, zumindest eine sehr kurze Atemnot zu erzeugen. Damit wird auch auf die Krankheit hingewiesen“, betont Matthias Hauer, der sein Eisfach geleert und sich auf seinem Kettwiger Balkon mit Eiswasser übergossen hat. „Ein Eimer kaltes Wasser hat noch niemandem geschadet“, meint Ulrich Beul, der im Rat der Stadt sitzt. Dirk Heidenblut, Bundestagsabgeordneter der SPD, ist von der Aktion weniger angetan: „Offensichtlich gibt es ein großes Interesse, mich zu irgendetwas zu nominieren. Das ehrt mich sehr. Wenn ich dem nachkäme, wäre ich allerdings dauernd nass“, schreibt er im sozialen Netzwerk Facebook. Und macht klar, dass er sich an derartigen Aktionen „nie“ beteiligen will.
Thomas und Axel Stauder verweigern die Teilnahme ebenfalls – und schenken sich in ihrem Internet-Video lieber ein Bier ein. Und spenden stattdessen für die „Aktion Lichtblicke“, die in NRW Kindern, Jugendlichen und ihren Familien, die materiell, finanziell oder seelisch in Not geraten sind, helfen. Bereits zum zweiten Mal hat Unperfekthaus-Inhaber Reinhard Wiesemann es abgelehnt, einen Eimer voll mit kühlem Nass für den guten Zweck über sich zu entleeren: „Ich mag keinen Gruppendruck und mag es nicht, wenn man mir Challenges stellt.“
Dennoch, die ALS-Forschung sei wichtig und jeder gespendete Euro wichtig, meint etwa Kommunikationsexpertin Betty van Loon: „Meine Tante ist an ALS gestorben, mein Onkel leidet noch darunter. Es wäre großartig, wenn genügend Spenden für das Erforschen wirksamer Therapien zusammen kämen.“ Thomas Rünker, Redakteur beim Bistum Essen, kann sich dem nur anschließen – aus persönlichen Gründen: „Mein Vater ist vor fünf Jahren nach langer Krankheit an ALS gestorben. Zwei seiner Geschwister sind wenige Jahre zuvor ebenfalls daran gestorben.“ Nach Aussage der Ärzte gebe es bislang keine Anzeichen dafür, dass es bei ALS eine familiäre Disposition gibt. Die Häufung in der eigenen Familie bringe ihn trotzdem zum Grübeln. Deshalb unterstützt er ebenfalls die „Ice Bucket Challenge“.
Auf seinem Weg zu energiepolitischen Gesprächen nach Berlin wurde auch Thomas Kufen, CDU-Fraktionschef im Rat und Landtagsabgeordneter, von seiner Kölner Kollegin Serap Güler nominiert. Er „brüte“ noch über seine Nominierung, will aber mitmachen. So heißt es zumindest in seinem Büro. Ob Rot-Weiss Essen-Spieler Maik Rodenberg, Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger und Susanne Bier, Leiterin im Don Bosco Club in Borbeck, ebenfalls dabei sind, wird sich zeigen. Sie wurden vom Borbecker Rechtsanwalt und Grünen-Politiker Dirk Kindsgrab erwählt. „Ihr habt 48 Stunden Zeit, um die Herausforderung anzunehmen.“
Geld spenden ja, aber wohin bitte?
Promis, Politiker und ganz normale Leute – alle schütten sich derzeit Eiswasser über den Kopf und spenden für eine Organisation in den Vereinigten Staaten, die die Erforschung der seltenen Nervenkrankheit ALS unterstützt. Den wenigsten dürfte dabei bekannt sein, dass sie damit „grausame und sinnlose“ Tierversuche finanzieren, warnt der Verein Ärzte gegen Tierversuche. Und bittet alle Eiswassernominierten, nicht an die ALS Association zu spenden. „Die ALS-Gesellschaft macht keinen Hehl daraus, bei ihren Forschungen auf Tiermodelle zu setzen, wie es im lebensverachtenden Jargon der Tierexperimentatoren heißt“, sagt Dr. med. vet. Corina Gericke, Vorstand bei Ärzte gegen Tierversuche. Hauptsächlich würden genmanipulierte Mäuse und Ratten verwendet, die durch Ausschalten eines Gens ähnliche Symptome aufweisen wie ALS-Patienten. Die Tiere würden leiden und am Ende qualvoll sterben. „Dabei ist seit Jahren bekannt, dass Tierversuche für die ALS-Forschung ein völliger Fehlgriff sind“, sagt jedenfalls Tierärztin Gericke.
Auch Mediziner des Universitätsklinikum Essen erforschen die Krankheit ALS. Die Stiftung Universitätsmedizin nimmt Spenden unter anderem für die ALS-Forschung entgegen. Dr. Oliver Kastrup, Leitender Oberarzt und Vize-Direktor der Klinik für Neurologie erklärt auf Rückfrage der NRZ: „Nein, wir machen keine Tierversuche für die Erforschung von ALS.“ Er bittet trotzdem alle Nominierten, bei der „Ice Bucket Challenge“ mitzumachen und in Essen zu spenden.
Aktuell suchen etwa 30 Betroffene regelmäßig die Neuromuskuläre Sprechstunde des Klinikums auf. Durch Studien mit sogenannten monoklonalen Antikörpern und Nervenwachstumsfaktoren möchten die Wissenschaftler der medizinischen Fakultät neue Erkenntnisse über mögliche Therapien gewinnen.
Mediziner des Universitätsklinikum Essen erforschen die Krankheit ALS. Daher nimmt die Stiftung Universitätsmedizin Spenden über folgendes Spendenkonto an: Konto 188 77 77, BLZ: 360 200 30, IBAN: DE 69 3602 0030 0001 8877 77, BIC: NBAGDE3E. Bitte geben Sie bei Ihrer Spende das Stichwort „ALS Forschung“ an. Weitere Infos dazu gibt’s in der Infobox uns im Internet unter: www.universitaetsmedizin.de