Essen. Die „Berg-Route“ verbindet Veltenbahn, Rodenseelstraße und Krayer Volkspark. Die Strecken wurden verbessert, kombiniert und Lücken geschlossen.
Der Essener Süden neigt ja manchmal zu dieser gewissen „Wir-sind-die-Perlen-an-der-Ruhr“-Borniertheit, und nördlich der A 40 wär’ sowieso alles Sodom und Gomorrha. Eine neue Radroute im Osten der Stadt lässt jetzt keine Ausrede mehr zu, warum man die unbekannten Terrains kurz vor Gelsenkirchen nicht erkunden sollte: Die „Berg-Route“, knapp neun Kilometer lang, führt von der Ruhr in Steele bis zum Mechtenberg in Kray – dort, wo Essen, Gelsenkirchen und Bochum zusammentreffen.
Oder: Man kann jetzt vom Baldeneysee aus bis zum Bochumer Schauspielhaus mit dem Rad fahren, denn am Städtedreieck führen Kray-Wanner Bahn und die attraktive Erzbahntrasse bis nach Gelsenkirchen und Bochums City.
Fabrik im Dornröschenschlaf
Um Missverständnisse zu vermeiden: Die „Berg-Route“ ist kein neuer Radweg oder gar eine neue Rad-Trasse, sondern eine neue Route – also eine Verbindung, die das kombiniert, was schon vorher da war und Lücken im Netz schließt.
In Steele fahren wir los, direkt an der Ruhr, biegen an der Bochumer Landstraße gleich hinter dem S-Bahnhof Steele Ost ab und kommen auf eine der unbekanntesten Rad-Trassen im Stadtgebiet: die „Velten-Bahn“, sie wurde für die „Berg-Route“ frisch asphaltiert. Da, wo vorher Schotter war, ist jetzt glatter Asphalt – entsprechend gut fährt sie sich. Wir rauschen durchs Sommergrün, und dass neben uns die Hochhaussiedlungen der Oststadt liegen – kaum zu glauben. Wir hören Kinder johlen, das Schwimmzentrum ist nicht weit.
Die Velten-Bahn verbindet Steele mit Freisenbruch, und sie heißt so, weil in Freisenbruch, etwas versteckt am Ende der Alleestraße, ein altes Industriebau-Ensemble im Dornröschenschlaf liegt: Hier war ganz früher die Zeche „Eintracht Tiefbau“ mit ihrem „Schacht Heintzmann“, später war hier „Fett Velten“, es blieb: Verblühende Backstein-Pracht und ein betagter, staubgrauer Kokskohlenturm, der schon mal unter Denkmalschutz gestellt werden sollte.
Woanders wären solche Relikte der Industrie wohl längst erschlossen, kommerzialisiert, doch hier, in Freisenbruch, etwas abseits vom Schuss: ein Motorradclub ist hier zu Hause, und ein paar Handwerksbetriebe. Filme über alte Ruhrgebiets-Zeiten könnte man hier drehen, und man müsste fast nichts ändern.
Weiße Streifen für Sicherheit
Die Bochumer Landstraße müssen wir dann doch überqueren, um ein bisschen Straße und Stadt kommen wir nicht drumrum, und weil sie jetzt Teil der „Berg-Route“ ist, hat die Rodenseelstraße, die nördlich nach Kray führt, „Schutzstreifen“ bekommen, das sind gestrichelte Linien am Fahrbahn-Rand; sie markieren jetzt das Revier der Radler. Natürlich fahren die Autos hier schnell, doch mit etwas Übung können auch wenig erfahrene Radler sich auch an solche Strecken gewöhnen; und ehe man sich versieht, geht’s schon wieder rechts rein in Krayer Wohngebiete.
Durchwurschteln
Offizielles Kartenmaterial für die „Berg-Route“ ist noch nicht veröffentlicht; und so müssen wir uns ab hier ein bisschen durchwurschteln: An vielen Stellen sind schon orangefarbene Quadrate auf die Straße gemalt worden, als Orientierung für die „Berg-Route“; prompt hielten ahnungslose Anwohner das für neue Parkverbots-Symbole. Doch solche Quadrate gibt es vielfach im Stadtgebiet; vor allem die Nord-Süd-Verbindungen sind so gekennzeichnet; die „Wasser-Route“ von Werden bis Dellwig hat blaue Quadrate, die „Natur-Route“ von Bergerhausen bis Karnap hat grüne.
Wann die „Berg-Route“ offiziell eingeweiht wird, ist noch offen. Es fehlen auch noch Farb-Quadrate und Schilder vielerorts. Das wurde uns prompt zum Verhängnis; auf dem Weg zum Krayer Volksgarten haben wir uns mehrfach verheddert. Doch was macht das schon, wenn man durch ruhige, grüne Zechensiedlungen fährt, die Straßen heißen hier „Pleßgengarten“ und „Volksgartenweg“. Charmante Altbauten und Doppelhaushälften mit Gärten, von denen Neubaubesitzer heute nur noch träumen können; Kray hat es in sich, im besten Sinne, und dass die A40 hier ganz nah ist - man glaubt es kaum.
Wir haben dann tatsächlich über eine schmale Brücke die Autobahn gequert, sind durch den Krayer Volksgarten gefahren (was man jetzt neuerdings wegen der „Berg-Route“ auch darf, was natürlich sofort für Verärgerung bei manchen Leuten geführt hat). Am Ende fährt man die Grimbergstraße entlang und kann sich an Schildern orientieren, die schon früher da waren, und die zielsicher zum Emscherpark-Radweg führen - an dieser Stelle ist es die Kray-Wanner Bahn.
Geheimtipps im Schatten
Ziel erreicht: Hier erhebt sich stolz der Mechtenberg, die Felder sind frisch gemäht, die Stoppeln glänzen golden in der Sommersonne. Wer mag, kann von hier bis Gelsenkirchen oder Bochum fahren. Auch im Schatten des Mechtenbergs schlummern alte Zechensiedlungen, die wahre Geheimtipps sind – zumindest für jene, die dachten, Kray besteht nur aus der unwirtlichen „Krayer Platte“ über der tosenden A40.