Essen. Der Stadt Essen dient dies als Argument, um Freiflächen zu bauen. Mieterschüzter äußern den Verdacht: Die Verwaltung biegt sie sich ihre Zahlen zurecht. Stimmt das?
Der Wohnungsmarkt in Essen galt bislang als entspannt. Ein sicheres Indiz dafür sind die vergleichsweise geringen Mieten. Nun, da die Stadt dringend Wohnraum für Flüchtlinge schaffen muss und Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) der Politik deshalb vorschlägt, auch geschützte Freiflächen zu bebauen, stellt sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt ganz anders dar. Stadtdirektor Hans-Jürgen Best, Chef der städtischen Planungsverwaltung, beziffert die Leerstandsquote auf nur noch zwei Prozent. Diese liegt deutlich unter den bislang von der Stadt veröffentlichen Zahlen.
Im aktuellsten Wohnungsmarktbericht der Stadt aus 2014 wird eine Leerstandsquote von 5,5 Prozent genannt, wohlgemerkt für das Jahr 2011. In der aktualisierten Fassung der Analyse zur Nachfrage-Entwicklung der Nachfrage, Essen 2020+, heißt es: Der Wohnungsleerstand bleibe mit etwa 20.000 Wohnungen unverändert. Diese Größenordnung, die einer Quote von rund sechs Prozent entsprechen würde, nannte auch ein Vertreter der Stadt auf der Delegiertenversammlung des Deutschen Mieterbundes im September.
Dass nun „quasi über Nacht“ von einer Quote von nur noch zwei Prozent die Rede ist, mag nicht nur Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen, überraschen. Ihr Verdacht: „Da biegen sich die Stadtverwaltung und die Politik ihre Zahlen so hin, wie sie sie gerade brauchen.“
Essens Bevölkerungszahl wächst wieder
Nach Auskunft der Stadt stützten sich die bisherigen Veröffentlichungen auf Angaben des RWE über Wohnungen mit einem Stromverbrauch unter 150 Kilowattstunden pro Jahr, was die Annahme stütze, dass diese nicht mehr bewohnt werden. Aus Gründen des Datenschutzes stelle der Stromversorger seit 2012 jedoch keine Daten darüber mehr zur Verfügung. Kurz gesagt: Zahlen und Prognosen seien von der Wirklichkeit überholt worden.
Seit 2010 wächst Essens Bevölkerungszahl entgegen aller Erwartungen wieder, allein im vergangenen Jahr um 5370 Köpfe. Der Zuzug von Flüchtlingen in diesem Jahr trägt dazu bei, dass es enger wird auf dem Wohnungsmarkt. Erklärt dies eine Leerstandsquote von zwei Prozent? Planungsdezernent Hans-Jürgen Best stützt sich auf eine Abfrage von Wohnungsunternehmen. „Nichts spricht dafür, dass sich die Situation auf dem privaten Wohnungsmarkt anders darstellt.“ Der Markt nähere sich der Sättigungsgrenze. Dass die Mieten bald steigen, sei deshalb zu erwarten.