Essen. Simonida Selimovićist eine von sechs Roma-Darstellern, die unter Volker Löschs Regie eine Irrfahrt der Verfolgung und Fremdenfeindlichkeit auf die Bühne bringen. Für die Künstlerin ist es „ein Schritt in Richtung Annäherung“.

„Zigeuner“ werden sie geschimpft, als Diebe, Betrüger, Bettler, Asoziale abgestempelt. Die Vorurteile über Roma sind seit der Armutseinwanderung aus dem Osten wieder extrem spürbar. Diskriminierung findet ständig statt. Selbst die Verfolgung der Minderheit ist kein Akt aus dem Dritten Reich. „Es ist eine ewige Geschichte von Ausgrenzung und Vernichtung über mehr als 600 Jahre im europäischen Kulturkreis, weil man schon immer Ängste auf Fremde projiziert hat“, erklärt Vera Ring, Chefdramaturgin des Schauspiel Essen. Mit dem Abriss von Roma-Camps in Frankreich, brutalen Übergriffen in Ungarn und Bulgarien und Internet-Hetztiraden über Flüchtlinge in Essen setzt sie sich bis heute fort.

Hart an der Realität

Für Regisseur Volker Lösch, der wie bei „Rote Erde“ stets hart an der Realität arbeitet, ein drängendes Thema. Verbunden mit Homers „Odyssee“ und dem provokanten Untertitel „Lustig ist das Zigeunerleben“ bringt er es auf die Grillo-Bühne. Sechs Schauspieler, die selbst Roma sind, und sechs hiesige Ensemblemitglieder haben dafür ihre Erfahrungen über Wochen zusammengetragen. Entstanden sind Texte über Diskriminierung, Krieg, Illegalität, Angst vor Abschiebung, aber auch über romantische Klischees von fahrendem Volk, starkem Familienzusammenhalt, Musik im Blut und nicht zuletzt die Erkenntnis, dass „wir Deutschen kaum etwas über die Roma wissen“, so Vera Ring. Das zeigte sich in dem künstlerischen Team sowie bei der umfangreichen Umfrage, die das Theater bereits in der vergangenen Spielzeit an die Zuschauer richtete. „Nur 30 bis 40 Bögen kamen in zwei Monaten zurück. Es war nicht so ergiebig wie erhofft. Überrascht hat mich, dass es keine Ausländerfeindlichkeit gab. Es gab überhaupt keine Berührungspunkte“, erklärt die Chefdramaturgin das Ergebnis.

Odyssee am Schauspiel Essen



Bei der Matinee zu „Die Odyssee oder ′Lustig ist das Zigeunerleben“ erklären Regisseur Volker Lösch und u.a. Chefdramaturgin Vera Ring, was es mit der Verquickung von Homers Epos und der Verfolgungsgeschichte der Roma auf sich hat. Am Sonntag, 14. September, 11.15 Uhr, im Café Central im Grillo-Theater.

Die Premiere findet am 19. September, 19.30 Uhr, im Grillo-Theater statt. Karten und weitere Termine unter: 81 22 200

Sie spricht mit Stolz Romanes

Das prägte. Sie wurde schnell erwachsen. Mit zwölf entdeckte man sie für den Film, dann modelte sie, mit 17 zog sie von Zuhause aus, mit 19 bekam sie das erste ihrer beiden Kinder. Ihre Herkunft hat die Schauspielerin, die sich auch in einem Roma-Theater engagiert, nie verschwiegen. Sie spricht mit Stolz ihre lange verbotene und aus Angst des Erkennens verleugnete Sprache Romanes und gibt sie an ihren Nachwuchs weiter. „Ich will mich nicht verstecken“, sagt sie und freut sich, dass in dem Essener Theaterprojekt der Klang ihrer Sprache in Passagen zu hören ist. Ihr habe es gleich gefallen, die Geschichte der Roma mit dem Text von Homer zu verbinden, meint Simonida Selimović. „Es wird sicher etwas bewegen. Es ist ein Schritt in Richtung Annäherung.“