Essen. Mehr als 500 Mal hat Regisseur Peter Ohlendorf seine vielfach gelobte und ausgezeichnete Dokumentation „Blut muss fließen – undercover unter Nazis“ schon gezeigt. „Aber so etwas wie in Essen, das ist ihm bisher noch nie passiert“, betont Max Adelmann, Sprecher beim Bündnis gegen Radikalismus und Rechtsextremismus „Essen stellt sich quer“.
Mehr als 500 Mal hat Regisseur Peter Ohlendorf seine vielfach gelobte und ausgezeichnete Dokumentation „Blut muss fließen – undercover unter Nazis“ schon gezeigt. „Aber so etwas wie in Essen, das ist ihm bisher noch nie passiert“, betont Max Adelmann, Sprecher beim Bündnis gegen Radikalismus und Rechtsextremismus „Essen stellt sich quer“. Er hatte Ohlendorf am Mittwoch eingeladen, um seinen Film über die deutsche Rechtsrock-Szene bei den Aktionswochen gegen Neonazismus und Rechtspopulismus gleich vier Mal zu zeigen. Doch beim Awo-Fanprojekt für die Anhänger und Fan-Clubs von Rot-Weiss Essen eskalierte die Situation: Eine Gruppe von 20 „Fans“, wie sie sich selbst bezeichneten, stoppte die Filmvorführung, Politik habe im Verein nichts zu suchen. Von Nötigung, Drohungen und Sachbeschädigung ist später die Rede und von einem „Armutszeugnis für die Stadt Essen“, wie Peter Ohlendorf es formuliert.
Zurück zum Anfang: Pünktlich um 18 Uhr soll es losgehen im Container an der Hafenstraße 99, der „Melches-Hütte“. Es ist die erste Vorführung des Films in Essen, für den Ohlendorf und der Journalist Thomas Kuban den „Georg-Elser-Preis der Landeshauptstadt München“ erhalten haben. Erstmals wurde er 2012 auf der Berlinale gezeigt und belegte den Platz zwei des Alternativen Medienpreis. Darum geht’s: „Blut muss fließen, knüppelhageldick“, ruft ein Sänger in den ersten Minuten von der Bühne. Kahlrasierte Skinheads grölen mit und heben den Arm zum Hitlergruß. Es sind Szenen eines geheimen Neonazi-Konzertes, irgendwo in der deutschen Provinz – gefilmt vom Kuban. Seit Jahren bewegt sich der Journalist undercover in der rechten Szene, sieht aus wie ein Nazi und bewegt sich wie einer, hört vor den Geheimkonzerten stundenlang Rechtsrock, um sich einzustimmen. Kuban ist nicht sein richtiger Name, sondern ein Pseudonym. So viel Sicherheit muss sein. Wie die Szene agiert, das sollen die RWE-Fans sehen. Nur wird daraus nichts.
Awo will Erpressung nicht hinnehmen
„Es wurde eine Drohkulisse aufgebaut,“ erinnert sich Max Adelmann an den Aufmarsch der mindestens 20 „Fans“, die nach seiner Ansicht wahrscheinlich aus Essens Hooligan-Szene stammen. Als Mitarbeiter des Awo-Fanprojekts auf ihr Hausrecht verweisen, schallt’s lautstark zurück: „Gut, dann kommen wir in einer Stunde mit 30 bis 40 Leuten mehr vorbei und nehmen den Laden auseinander.“ Für die Organisatoren ist das zuviel. „Die Vorführung wurde zum Schutz der Besucher abgesagt“, so Adelmann. Denn vor allem Jugendliche sind zur Vorführung in die Melches-Hütte gekommen.
Die Awo als Trägerin des Fanprojektes reagierte gestern: „Wir werden diese Erpressung nicht hinnehmen und uns schnellstens mit dem Verein, Vertretern der Stadt Essen und dem DFB in Verbindung setzen.“ Ziel sei eine gemeinsame Vorgehensweise gegen Gewaltdrohungen und Einschüchterungen. „Eine demokratische Gesellschaft, für die die AWO seit ihrer Gründung einsteht, kann eine solche Unterdrückung von Meinungsfreiheit nicht dulden“, heißt es in der Mitteilung.
Und auch RWE nimmt Stellung, distanziert sich „mit aller Deutlichkeit und ohne Wenn und Aber von den Aktionen solcher Personen“ und rechten Drohgebärden. Von „vereinsschädigendem Verhalten“ ist die Rede. Weder die Androhung von Gewalt noch die Unterdrückung freier Meinungsäußerung seien mit den Werten des Vereins vereinbar. Ob die vermeintlichen Fans – wenn sie denn Mitglied sind – mit einem Vereinsausschluss rechnen müssen? „Ja, das kann durchaus sein. Alle weiteren Schritte müssen wir erst intern prüfen“, betont RWE-Sprecherin Susanne Völkel.
Regisseur Ohlendorf und Essen-stellt-sich-quer-Sprecher Adelmann fordern Aufklärung über die RWE-Fan-Strukturen: „Es kann nicht sein, das sogenannte Fans ihre obskuren Vorstellungen davon, wer im Verein und im Umfeld das Sagen hat, dauerhaft durchsetzen können.“ Trotz des Vorfalls kommen über 500 Gäste zu den weiteren Vorstellungen. Den Film wolle man jetzt erst recht noch einmal zeigen – in den Räumen des Stadions und unter Verantwortung des Vereins. Nach Auskunft des Verleihs ist Peter Ohlendorf bereit, erneut nach Essen zu kommen.