Das System gilt in Europa als beispiellos, wenn auch gewöhnungsbedürftig: Seit über 100 Jahren entsorgt die Emschergenossenschaft das Abwasser der Ruhrgebiets-Städte über offene, arg müffelnde Köttelbecken. In sieben Jahren soll das alles Geschichte sein. Vor allem die Berne und ihre Zuläufe, der Borbecker Mühlenbach, der Sälzerbach, der Pausmühlenbach und der Stoppenberger Bach, stehen vor dem Rückbau und der Renaturierung: 2018 soll ein unterirdisches Kanalnetz das Abwasser aufnehmen, anschließend werden die Gewässer ein natürliches Bett erhalten – ohne Beton, dafür aber mit viel Grün. Nur noch Quell- und Regenwasser soll die Bachläufe füllen, knapp 300 Millionen Euro lässt sich die Emschergenossenschaft das Projekt kosten (die NRZ berichtete), das in Essen den Kern des großen Emscherumbaus bis 2018 darstellt.
Doch wird mit der Renaturierung des Abwasser-Systems nicht auch ein Stück Industriegeschichte für immer zerstört? Dies jedenfalls ist die Sorge der Grünen in der Bezirksvertretung I (Stadtmitte). Deren Fraktionssprecher Reinhard Mielke will einen Teil der in Beton gefassten Berne für die Nachwelt erhalten: „Sonst weiß doch in 20 Jahren kein Kind mehr, was eine Köttelbecke ist.“ Das System sei aus der Industriegeschichte des Reviers nicht wegzudenken und habe 100 Jahre lang gute Dienste geleistet. Mielkes Vorschlag: „Wir wollen den Abwasserkanal der Berne ab der Grillostraße erhalten, dort, wo der Bach wieder ans Tageslicht tritt.“ Der Fluss sei unabhängig von der Betonrinne vom Abwasser befreit, könne aber einen guten Eindruck vermitteln, „wie hier ein Jahrhundert lang die Bäche ausgesehen haben“.
Die Köttelbecke erhalten? Die Grünen stoßen mit dieser Idee durchaus auf Verständnis: „Das ist ein vorstellbarer Ansatz“, meint Petra Beckers, die Leiterin der Unteren Denkmalbehörde. Ebenso wie die gestaltete Wasserlandschaft für den Schmiedehammer am Deilbachtal stehe das Berne-System für eine Epoche. Deshalb einen Abschnitt zu erhalten, sei nur unterstützenswert: „Ich denke aber, dass man da bei der Emschergenossenschaft, die ein ausgeprägtes geschichtliches Bewusstsein hat, auf offene Ohren stößt.“
In der Tat: „Wir verfolgen diese Idee bereits seit einiger Zeit“, sagt Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft. „Der Abschnitt an der Grillostraße wäre geeignet. Vielleicht können wir hier auf 20 Meter die alte Betonrinne liegen lassen, so wie am Läppkes Mühlenbach.“ Allerdings gebe es eine feste Regel bei der Planung: „Egal, für welchen Abschnitt wir uns letztendlich entscheiden, darf dort auf keinen Fall Wohnbebauung liegen. Wir können den Menschen nicht erzählen, wir schaffen natürliche Bachläufe hinter ihren Häusern, mit hochwertigen Grünanlagen. Und dann schauen sie aus dem Fenster – und nichts hat sich geändert.“ Da höre das Verständnis für die Industriegeschichte dann doch auf.