Essen.. Die Dauergäste auf den Campingplätzen an der Ruhr und am Baldeneysee in Essen sind hartgesottene Typen. Ein Besuch bei den Freiluft-Urlaubern zeigt, dass sie sich nicht vom Regen die Stimmung verhageln lassen. Eher sind sie genervt von Journalisten, die sie besuchen. Denn die Presse ist bei den Campern nicht unbedingt ein gern gesehener Gast.
Schlechtes Wetter gibt es nicht. Es gibt nur schlechte Kleidung. Das sagen zumindest die hartgesottenen Dauergäste auf den Campingplätzen. Sie stört der bisher verregnete Sommer nicht.
„Des Campers Fluch ist Regen und Besuch. Regen geht noch!“, heißt es makaber auf dem Campingplatz Deichklause in Werden – und der auf einem Holzschild prangende Spruch am Kiosk, der liebevoll „Ballerbude“ genannt wird, sagt viel über das Selbstverständnis des Campers aus: Es kann noch so viel im Sommer aus Eimern gießen, woran sich die Wohnwagenfreunde eher reiben können, sind ungebetene Besucher. Daher besuchte die NRZ – mit Vorankündigung – am Samstag zwei Plätze im Essener Süden und stieß auf campende Optimisten, deren Freizeitgestaltung das nasse Wetter nichts an haben kann. Denn: Mann oder Frau braucht nur die richtige Einstellung sowie eine erfüllende Beschäftigung für den Tag.
Das sieht auch Oliver Erdhütter, Betreiber des Campingparks Baldeneysee am Hardenbergufer so: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“, erklärt er lachend. Seit zehn Jahren leitet der 47-Jährige den Familienbetrieb, der 200 Plätze für Dauergäste und 30 für Feriengäste ganzjährig vorsieht. Anders als man vielleicht denken könnte, macht ihm das Wetter wirtschaftlich auch keine Probleme: „Wir haben so viele Dauercamper. Die kommen so oder so.“ 870 Euro müssen sie fürs ganze Jahr berappen, 670 für die Halbjahresmiete. Komplett aus NRW stammten seine Gäste, die es sich meist am Wochenende oder in jeder freien Minute draußen oder in ihren Wohnwagen bequem machen.
Dauercamper sichern das Geschäft
„Mit dem See und der Ruhe, die herrscht, punkten wir vor allem“, erklärt er. Feriengäste hat er aktuell sechs bis sieben. „Der Großteil der Leute war 2010 zum Kulturhauptstadtjahr zu Besuch. Entweder kommen sie nun wieder, oder sie haben damals keinen Platz bekommen, weil wir einen regelrechten Ansturm hatten. Die zieht es in die Museen oder zur Industriekultur“, erzählt Erdhütter, der als Elektrotechnikermeister ein zweites berufliches Standbein hat. Er sei auf dem Platz „Mädchen für alles“, Handwerker und Psychologe. Denn jeder habe seine Probleme und über die quatsche man schon einmal.
"Die RTL-Serie ,Die Camper' hat viele vergrätzt"
Obwohl viele Dauercamper trotz trüber Aussichten kommen, herrscht am Samstagvormittag Stille. Die meisten haben sich in ihre Vorzelte verzogen, oder sind gleich zu Hause geblieben – die Dauermiete zahlen sie so oder so an den Betreiber. Argwöhnisch betrachten viele den Presse-Besuch durchs Fenster. Zwischen nassem Rasen und zahlreichen Kothaufen der kanadischen Wildgänse stapft Wolfgang Pressburger im Schlafanzug mit Handtuch und Kulturbeutel zu den Sanitäranlagen. „Ihn können Sie gleich ansprechen, der redet bestimmt mit Ihnen“, sagt Erdhütters Frau Simone. „Die RTL-Serie ,Die Camper’ hat viele vergrätzt und vorsichtig gemacht“, erklärt ihr Mann.
Der Besucher-Fluch ruft sich wieder ins Gedächtnis, bis einige Minuten später Wolfgang Pressburger frisch gewaschen, angezogen und ansprechbar in seinem Reich steht. Der gebürtige Wiener und seine Frau Mechthild wohnen im Stadtteil Leithe und kommen seit 34 Jahren an den See. „Die Eltern haben hier schon gestanden“, erzählt sie. An vorderster Front, direkt am Ufer, liegt ihr Wagen samt Vorzelt, der beim Betreten eher wie ein Ferienhaus aussieht. „Edelcamping“ nennen beide das einmütig, aber: „Wenn das Wetter ganz schlecht wird, nehmen auch wir Reißaus.“ Langweilig dürfte es den beiden nie werden, sie haben alles, was sie für Regenwetter brauchen: Heizung, TV, Internet, Radio – und Enten, die für Kurzweil sorgten. Und für Urlauber hat er nur Wiener Schmäh übrig: „Wissen Sie, an der Nordsee haben die auch nur Wasser...“
„Dackelgaragen“ werden immer seltener
Der aktuelle Witterungswechsel aus wenigen Sonnenstrahlen und viel Niederschlag macht dem Pärchen nichts aus: „Wenn der Schauer um ist, dann setzt man sich eben wieder raus“, sagt Wolfgang Pressburger. Für ihn ist Camping ein gutes Beispiel dafür, dass man es im Ruhrgebiet aushalten könne. „Freunde und Familienmitglieder, die uns besuchen, sind jedenfalls immer wieder begeistert“, betont er. Dennoch, so Simone Hütter, ist der typische Feriengast auf den Campingplätzen zur Mangelware geworden: „Den Radler mit dem als ,Dackelgarage’ bezeichneten Zelt kommt kaum noch zu uns.“. Bei Brigitte Brach, Platzchefin des Campingplatzes Deichklause an der Laupendahler Landstraße 140 in Werden, ist dies nicht anders: „Erst gestern hat mir eine Gruppe Feriengäste wegen dem schlechten Wetter abgesagt“, erzählt sie. Wie bei Erdhütters am Baldeneysee sind für sie die Dauercamper das Trostpflaster. 47 von 60 Stellplätzen sind so vermietet.
Trotz strömendem Regen ist die Stimmung am Samstagmittag an der „Ballerbude“ jedenfalls gut. Unter dem schützenden Vordach des Kiosk haben sich etliche Camper zusammengefunden, um mit Brach, ihrer Tochter Irina und Enkelin Lilly zu klönen. Und das eine oder andere Pils aus der Flasche wird auch schon getrunken, obwohl die Uhr erst 12.30 anzeigt. „Ab Mittwoch soll’s besser werden“, sagt die Gruppe über die Wettervorhersage. Die Hoffnung, dass es diesen Sommer noch mal besser wird, hätten sie nicht aufgegeben. Ihre Gemüter erhitzt vielmehr die Zweitwohnungssteuer, die sie entrichten müssen. „10 Prozent von der Platzmiete sind das“, schimpft Hansi, der seit 25 Jahren vor Ort ist. Die anderen nicken.
Viel Zeit mitzudiskutieren, bleibt für Brigitte Brach nicht. Der Schauer ist zu Ende, die Arbeit ruft. Mit geschlossenem Schirm läuft sie zu einem Stellplatz: „Ich muss den Strom für die Abreise eines Campers ablesen.“ Wenige Sekunden nachdem sie den Zählerkasten geöffnet hat, fallen die nächsten Tropfen. Unterm Vorzelt gegenüber sitzen Monika und Peter aus Altenessen. Ihre Laune ist gut, er liest Zeitung, sie schaut gen Himmel. „Gammeln nach einer stressigen Woche“, nennen beide das zufrieden.
Campingplätze: Erholung an der Ruhr
Die Stadt Essen listet auf der Internetseite sechs Campingplätze auf. Sie liegen allesamt an der Ruhr (Kettwig, Werden, Horst) oder am Baldeneysee. Zwei haben ganzjährig geöffnet, während die Übrigen vom 15. April bis 15. Oktober ihre Saison haben. Zelt-Camper sind eher eine Ausnahme auf den Plätzen.