Essen.. Die Tat sorgte im Februar für Entsetzen: Zwei Brüder stechen am Essener Hauptbahnhof in aller Öffentlichkeit auf ihre Widersacher ein, verletzen sie lebensgefährlich. Jetzt fordert die Staatsanwältin sieben Jahre Haft. Dank der Überwachungskameras ist die Beweislage eindeutig.

Die Messerstiche auf Gleis 7 des Essener Hauptbahnhofes sollen mit sieben Jahren Haft geahndet werden, forderte Staatsanwältin Elke Hinterberg am Montagabend vor dem Schwurgericht. Der Akt von Selbstjustiz und Rache in aller Öffentlichkeit hatte im Februar Entsetzen in weiten Teilen der Bevölkerung hervorgerufen.

Zehn Prozesstage lang klärte das Gericht die Hintergründe auf. Die Brüder Mümtaz (27) und Refik K. (26), Gemüsehändler aus dem Ostviertel, hatten laut Anklage am 8. Februar gegen 20 Uhr auf zwei aus dem Irak stammende Brüder, 19 und 20 Jahre alt, eingestochen und sie lebensgefährlich verletzt. Anlass für die aus der Türkei stammenden Kurden war der Anruf ihres 16-jährigen Bruders, der von einem der späteren Opfer geschlagen wurde, weil er den jungen Mann zuvor offenbar provoziert hatte. Elke Hinterberg: „Ein nichtiger Anlass“.

Lediglich gefährliche Körperverletzung

Die Angeklagten hätten nicht vorgehabt, mit den Irakern zu reden oder die Polizei zu rufen. Mit gezückten Messern seien sie auf die beiden zugegangen, hätten ihnen insgesamt zehn Stiche in Kopf-, Bauch- und Brustbereich versetzt. Nur der schnelle Einsatz von Rettungskräften habe das Leben der Opfer gerettet.

Die Anklägerin sprach von einer guten Beweislage, weil die Überwachungskameras auf den Bahnsteigen die Tat dokumentiert hätten. Beide Angeklagte hätten töten wollen, als sie zustachen. Rechtlich gestand sie ihnen aber den strafbefreienden „Rücktritt vom Versuch“ zu. Denn sie hätten noch weiter zustechen können, hätten damit aber aufgehört. Deshalb seien sie lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen.

In den Prozess spielte wieder einmal die in manchen Ausländerkreisen verbreitete Praxis der außergerichtlichen Streitschlichtung hinein. Die Opfer hatten sich bei ihrer Aussage vor Gericht auf Erinnerungslücken berufen. Staatsanwältin Hinterberg: „Sie sind von ihren eindeutigen Aussagen bei der Polizei abgerückt.“

Familien hätten Frieden geschlossen

10.000 Euro Schmerzensgeld hatte die kurdische Familie bereits im Vorfeld des Prozesses an die Opfer gezahlt. Die Opfer-Anwälte Michael Bonn und Ansgar Fischer hielten sich in ihren Plädoyers deutlich zurück. Bonn nannte die Tat zwar Selbstjustiz auf dem übervollen Bahnhof, die „das Sicherheitsbedürfnis aller Bürger tangiert“. Die Familien hätten aber auch Frieden geschlossen. Der Friedensschluss soll in der vergangenen Woche erfolgt sein, berichtete Verteidiger Marc Grüne­baum dem Gericht: „Mit Küsschen hier, Küsschen da.“ Die Verteidiger werden am 10. November plädieren.